Volltext: Geheimakten aus serbischen Archiven (Band I ; 1928)

deshalb, weil sich die österreichische Politik von der rassischen selbst 
getrennt habe). Auf dies reagierte der König lebhaft, behauptend, diese 
frühere Situation sei heute schon bedeutend verändert. Ich 
fuhr fort, man dürfe es — besonders im Interesse Italiens — nicht 
zulassen, daß am Balkan eine Eroberungspolitik, welche zum Glücke 
in Italien keinen Anklang findet, Erfolg habe. Schließlich könnten 
derartige politische Zustände, welche keinerlei europäische Sanktion 
hätten, als solche nicht von Bestand sein, denn sie wären Ursprung und 
Anlaß einer weitgehenden Unsicherheit für den so sehr gewünschten 
europäischen Frieden. Der König anerkannte die Richtigkeit dieser Be¬ 
urteilung und hat abermals besonders betont, daß wir gerade im In¬ 
teresse unserer Existenz und weiteren Zukunft heute noch geduldsam 
sein und günstigere Gelegenheiten abwarten müssen, „wie dies Italien 
getan habe“. Der König hat diesen Gedanken zwar nicht in unzwei¬ 
deutiger Weise ausgesprochen, doch habe ich ihn in diesem Sinne gut 
verstanden, daß er sagen wollte: Serbien müsse nebst Monte¬ 
negro, im Falle einer bewaffneten Aktion, entweder eine 
der Großmächte oder den Bund den übrigen Balkanstaa¬ 
ten für sich haben. Deshalb, betonte er besonders, wäre es noch 
immer besser, trotz aller bisherigen Mißerfolge, nach dieser Richtung 
hin mit Bulgarien und womöglich auch mit der Türkei, ein Überein¬ 
kommen (Bündnis) zu erstreben. — Der König berührte noch im Ge¬ 
spräche die Frage der Adriabahn, für welche er sich, wie er hinzufügte, 
lebhaft interessiere und er wünsche, daß das Projekt bald zur Tat 
werde. Auch kam die Rede auf unsere alten freundschaftlichen ökono¬ 
mischen und politischen Beziehungen, auf unsere Ragusaner Kulturen 
und auf die Literatur als Reflex der italienischen (der König sprach 
hierbei den Namen Iwan Gundulitsch unter anderen nach der richtigen 
serbischen Aussprache aus). — Mit einem Worte: der ganze Verlauf und 
Charakter dieser längeren Aussprache des Königs bei der ersten 
Audienz machte auf mich den Eindruck aufrichtiger und freundschaft¬ 
licher Dispositionen, sowohl gegenüber Seiner Majestät dem Könige, 
wie auch Serbien und dem serbischen Volke im allgemeinen. Im Wesen 
liefen die ganzen Äußerungen des Königs darauf hinaus, 
daß wir gerade im Interesse unserer nationalen Existenz 
günstigere Gelegenheiten abwarten und nebst der mili¬ 
tärischen Vorbereitung auch daran lebhaft arbeiten 
müssen, daß diese günstigeren Momente je früher ein- 
treten und daß wir dann nicht auf uns allein angewiesen 
sein. — Der König befragte mich noch über die volle Aufrichtigkeit 
unseres Bundes mit Montenegro, worauf ich erwiderte, daß Montenegro 
von unserem eigenen gemeinsamen Bedürfnisse der Nationalmonarchie1) 
1) Damit soll gesagt sein, daß Serbien und Montenegro ihre eigenen Monarchien 
behalten sollen. 
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