Volltext: Geheimakten aus serbischen Archiven (Band I ; 1928)

und Cetinje unternommen werden. Im Widerspruch zur Besorgnis in 
Petersburg meldet Herr Crozier, daß ihm Baron Aehrenthal vollkommen 
friedliebende Versicherungen gegeben habe. Nach einem Bericht meines 
Londoner Freundes gibt Berlin in Wien vernünftige Rat¬ 
schläge, d. h. in friedlichem Sinne. Nach derselben Quelle hat 
sich die Haltung der englischen Regierung mit Rücksicht auf das Bal¬ 
kanproblem und besonders mit Rücksicht auf unsere Forderungen seit 
dem Besuche König Eduards in Berlin nicht im geringsten verändert 
Auch die englische Regierung hofft, es werde sich ein Ausweg finden 
lassen, „wenn wir so vernünftig wie bisher bleiben“. 
Es versteht sich, daß die letzten Umwälzungen in der Türkei hier und 
besonders in London ernste Sorgen erweckt haben. Pichon ist fest 
entschlossen, auch dort in völliger Harmonie mit Sir Edward Grey 
und Herrn Iswolski zu bleiben, Ihnen dies bekanntzugeben, erscheint 
mir um so notwendiger, als man sich in letzter Zeit bemüht hat, einen 
Zankapfel zwischen London und Paris zu werfen, besonders wegen 
ökonomischer und finanzieller Interessen in 5er Türkei und auch in 
Marokko. 
Hinsichtlich der Art unserer Forderungen und des Inhalts unseres 
Memorandums sind die befreundeten Mächte in vollkommener Unge¬ 
wißheit. Da heute die Beziehungen zwischen Berlin und Paris gute 
sind, und da Herr Cambon1) in der deutschen Hauptstadt eine vorzüg¬ 
liche Position hat, so ist es wahrscheinlich, daß man versuchen wird, 
daß Berlin die Aufgabe auf sich nimmt, festzustellen, was Österreich- 
Ungarn im Interesse des Friedens zu tun bereit ist. 
Nr. 5 7. 
Der serbische Gesandte Wuitsch, Rom, 
an das Ministerium des Äußern in Belgrad. 
Pov. br. 10. Rom, den 6./19. Februar 1909. 
Gestern vormittags um elf Uhr habe ich Sr. Majestät, dem König 
von Italien, mein Beglaubigungsschreiben überreicht. Die Audienz währte 
mindestens zwanzig Minuten, und ich kann ruhig behaupten, daß der 
Empfang ein sehr huldvoller war. Der König trug das Band zum Kara- 
georg-Stern und sagte mir gleich, er habe es heute zum erstenmal auf 
der Schulter. Nach den Erkundigungen über Seine Majestät den König 
und Seine Hoheit, den Thronfolger, bei welcher Gelegenheit er sich 
äußerst freundschaftlich und gewogen über das königliche Haus 
äußerte, (so bemerkte er z. B. er kenne unseren König als Mann von 
Charakter, dem Serbien sein heutiges parlamentarisches Regime und die 
1) Jules Cambon, französischer Botschafter in Berlin von 1907—1914. 
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