Die digitale Landesbibliothek Oberösterreich

Nr. 44 
Der serbische Gesandte Popowitsch, Petersburg, 
an das Ministerium des Äußern in Belgrad. 
Pov. br. io. Petersburg, den 12./25. Januar 1909. 
Heute sah ich Tscharikow. Er hat aus Wien nichts Neues zu ver¬ 
zeichnen, nur sagte er mir, daß Österreich-Ungarn begreifen müßte, 
daß, je eher Bosnien und die Herzegowina die Autonomie erhielten, 
desto nachgiebiger Serbien hinsichtlich territorialer Konzessionen sein 
wird. Darauf bemerkte ich, daß wir natürlich für unsere Konnationalen 
die Sicherstellung ihres nationalen Rechtes und ihre Selbstbestimmung 
verlangen, daß uns aber territoriale Kompensationen für die politische 
und ökonomische Selbständigkeit Serbiens unentbehrlich seien, da ohne 
dieselben unsere Unabhängigkeit illusorisch sei. Tscharikow antwortete 
mir, wie bei früheren Gelegenheiten schon öfter, Rußland werde auch 
in der Frage der territorialen Kompensationen für uns alles, was mög¬ 
lich sei, tun. 
Nr. 45. 
DerserbischeGesandteNenadowitsch,Konstantinopel 
an das Ministerium des Äußern in Belgrad. 
Konstantinopel, den 13./26. Januar 1909. 
. . . Gestern wurde mir mitgeteilt, daß die Abgeordneten von Kos- 
sowo entschlossen sind, noch einen Schritt beim Großwesir zu machen 
und seine Aufmerksamkeit auf die Mißstimmung zu lenken, welche die 
Nachricht von der Zustimmung zur Annexion Bosniens im Wilajet Kos* 
sowo hervorgerufen hat und die befürchten läßt, daß diese Mißstimmung 
zunehme und sich in Unruhen äußere. Diesbezüglich bin ich auch be¬ 
nachrichtigt, daß der hiesige bosnisch-herzegowinische Klub eines seiner 
Mitglieder in das Wilajet Kossowo entsenden will, um einen Aufstand 
unter den Albanesen hervorzurufen, und daß man daran denkt, einen 
bestimmten Geldbetrag unter dem Titel von Reisekosten von der Gesandt¬ 
schaft zu begehren. Als ich davon vorher benachrichtigt wurde, ver¬ 
hinderte ich, daß mir ein solcher Vorschlag auch nur gemacht werde, 
wohl wissend, daß die österreichische Botschaft jeden Schritt der hie¬ 
sigen Bosnier streng beaufsichtigt; ja ich habe Ursache, zu glauben, daß 
sie von allem, was im hiesigen bosnischen Klub geschieht, Kenntnis er¬ 
hält, wenn letzterer auch bisher ohne Einfluß und recht bedeutungslos 
war. Aber diese Idee eines Aufstandes unter den Albanesen in der Ab¬ 
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