Die digitale Landesbibliothek Oberösterreich

sonders in bezug auf die Verhinderung von Demonstrationen und den 
Schutz österreich-ungarischer Untertanen, und daß, wenn wir so ver¬ 
fahren, keine Aussicht noch Grund für eine Aktion Österreich-Ungarns 
vorliege. Bezüglich der Erneuerung der Verhandlungen zwischen Öster¬ 
reich-Ungarn und der Türkei erklärte mir Hardinge, nichts zu wissen. 
Indessen wird in hiesigen diplomatischen Kreisen positiv 
versichert, daß England der Türkei anrät, sich mit 
Österreich-Ungarn zu verständigen, und zwar so rasch 
wie möglich. 
Nr. 2 9. 
Spezial-Delegierter, 
Minister des Äußern Milowanowitsch, Rom, an das 
Ministerium des Äußern in Belgrad. 
Rom, den 
28. Oktober 
10. November 
1908. 
Gestern habe ich bereits Tittoni und den russischen Botschafter ge¬ 
sehen. Der erstere erklärte mir, daß Italien die lebhaftesten Sympathien 
für unsere Sache hege, mit der sein Interesse solidarisch sei, aber es 
sei für einen Krieg nicht vorbereitet und müsse sich von jedem Schritte 
zurückhalten, der es in ein Dilemma zwischen Krieg oder unwürdigem 
Rückzuge bringen könnte. Mit Rußland sei es vollkommen solidarisch 
und arbeite mit ihm im Einvernehmen, aber auch Rußland habe Italien 
von neuem erklärt, daß es für einen Krieg nicht vorbereitet sei und ihn 
daher nicht wolle. Indessen sei Österreich-Ungarn vollständig überzeugt, 
daß Deutschland sich bis zu Ende für Österreich einsetzen werde; des¬ 
halb führe Österreich auch eine so hochmütige Sprache und wolle nichts 
von einer Territorialkonzession wissen, die Serbien verlange. Ich' 
setzte Tittoni unsere Gründe auseinander und zeigte ihm, 
daß Österreich-Ungarn die von uns geforderte Territo¬ 
rialentschädigung nicht verweigern könne, ohne seine 
Versicherung, daß es keinen weiteren Erwerb am Balkan 
erstrebe, Lügen zu strafen1). Ich legte Tittoni auch dar, welche 
Resultate ich in London und Paris erzielt habe, wobei ich ihn überzeugte, 
daß unsere Forderung auf Territorialentschädigung um kei¬ 
nen Preis vor dem Zusammentritte der Konferenz fallen 
gelassen werden dürfe, sondern daß dieselbe auf der Konferenz 
zur Diskussion gelangen müsse, damit wenigstens die Absicht Österreichs 
1) Eine eigenartige und durchaus unzutreffende Argumentation. 
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