Volltext: Geheimakten aus serbischen Archiven (Band I ; 1928)

kannte Politiker Alexander Iwanowitsch Gutschkow auf und teilte mir 
abermals den Wunsch des Generals mit. Gutschkow lud mich für den 
Nachmittag desselben Tages in seine Wohnung, wo sich auch der Ge¬ 
neral einfinden würde. Alexander Iwanowitsch erklärte mir, er habe 
gerne dem Wunsche des bulgarischen Gesandten entsprochen, weil 
es auch ein russisches Interesse sei, daß beide slawischen Staaten sich 
in einem freundschaftlichen Verhältnisse befinden. — Selbstverständ¬ 
lich ging ich gestern zu Gutschkow und führte mit dem General eine 
längere Unterredung, die einen rein persönlichen und privaten Charakter 
trug. Die hauptsächlichsten Gesichtspunkte des Generals Dimitrijeff 
sind folgende: Sowohl Serbien wie Bulgarien befinden sich in einer 
schwierigen Lage. Serbien sei von Österreich-Ungarn, Albanien und 
Bulgarien umringt und wie die Dinge heute stehen, könne jeder dieser 
Staaten Serbien in eine noch' schwierigere Lage versetzen. — Bulgarien 
sei von Serbien, Griechenland, Rumänien und der Türkei umringt und 
besitze ebenso unter diesen keine Freunde. Niemand wisse, wie sich 
in Bälde Ereignisse entwickeln können und kommt es dann zu Ver¬ 
wicklungen, so würden sowohl Serbien wie Bulgarien bei solchen feind¬ 
lichen Beziehungen zueinander zugrunde gehen. Fänden diese beiden 
aber den Weg zu einer Einigung, dann würde jeder von ihnen aus den 
eventuellen Verwicklungen gekräftigt hervorgehen. Sowohl Serbien wie 
Bulgarien verfügen beiläufig über je /jooooo Bajonette. Im Zwie¬ 
spalte stünden diese Bajonette einander gegenüber und würden die 
einen die anderen vernichten; vereint repräsentieren sie hingegen eine 
Stärke von 800000 Bajonetten, welche zum gegenseitigen Wohle bei¬ 
der Länder dienen könnten. — Bulgarien habe in der Dobrudscha, in 
Thrazien und in einem Teile Mazedoniens, welcher derzeit in serbischem 
und griechischem Besitze sich befinde, Aspirationen, welche es niemals 
auf geben wird. Serbien dagegen habe viel ausgedehntere Aspirationen: 
Bosnien, Herzegowina, Dalmatien, Kroatien, Slawonien. Die Länder, 
welche es jetzt im Süden Mazedoniens erhalten hat, werden ihm Sorgen 
und Schwierigkeiten bereiten. Bulgarien habe in diesen Gebieten durch 
Schaffung politischer Positionen (Exarchat usw.) Wurzel gefaßt; die 
Zeit von vierzig und mehr Jahren war Bulgarien genügend behilflich, 
um auf die Stimmung der Bevölkerung Einfluß zu üben, so daß diese 
bisher nach Bulgarien gravitiert hat und auch jetzt dorthin gravitieren 
wird. Und dieses Volk, welches auch sonst nie ganz bestimmt war be¬ 
züglich seiner Zugehörigkeit, soll nun serbisch werden, falls Serbien 
sich dieses durch Anwendung verschiedener Mittel gefügig macht; 
dies bedeutete für Bulgarien keinen Nutzen, denn diese Bevölkerung 
würde dann ebenso Bulgarien Schwierigkeiten bereiten wie sie heute Ser¬ 
bien hemmt. — Um die Aspirationen Serbiens und Bulgariens verwirk¬ 
lichen zu können, sei eine vereinigte Arbeit erforderlich. Damit eine 
solche ermöglicht werde, müßten die Aspirationen Bulgariens in irgend¬ 
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