Volltext: Geheimakten aus serbischen Archiven (Band I ; 1928)

nicht; ja noch mehr, wenn diese Gebühren abgeschafft werden sollten, 
dann wird die Adriabahn weniger tragen. In dieser ganzen Frage ist die 
Hauptsache die, daß Rußland Österreich zur Gebietsabtretung zwingt, 
sonst hat Österreich alle Mächte besiegt. Wir und Montenegro sind 
in allem solidarisch und werden in allen Fragen, die durch die Annexion 
Bosniens und der Herzegowina aufgeworfen werden, gemeinsam Vorgehen. 
Bulgarien hat die slawische Solidarität verleugnet, indem es sich mit dem 
Feinde des Slawentums, und besonders des serbischen Volkes, verbunden 
hat. Es hat uns, es sei gerade herausgesagt, verraten, denn es hätte 
nach unserem Bündnisvertrag1) nichts tun dürfen, was den status 
quo am Balkan verändert. Es hat ihn auf das Schmählichste gebrochen. 
Wir glauben nicht, daß man Bulgarien von Österreich trennen könne, 
welches durch die gemeinschaftlichen Handlungen mit Wien Rußland 
in die schwierige Lage bringen wollte, einerseits zu protestieren, anderer¬ 
seits aber durch diesen Protest die Unabhängigkeit Bulgariens nicht 
zu schädigen. Rußland kann unmöglich energisch protestieren, daß 
der Berliner Vertrag verletzt sei, denn Bulgarien hat ihn gerade so ver¬ 
letzt, wie es Österreich getan hat. Rußland kann in den Augen der 
Welt nur dann korrekt erscheinen, wenn es gegen den Vertragsbruch 
protestiert und auf die Konferenz nicht geht, weil es für Serbien und 
Montenegro nichts herausholen kann. Wenn Rußland die Konferenz 
nicht beschickt, so kann es sagen, es habe keine hinreichende Veran¬ 
lassung auf die Konferenz zu gehen, um die Annexion Bosniens und 
der Herzegowina und den Bruch des Berliner Vertrages zu bekräftigen, 
falls Österreich den serbischen Wünschen nicht nachgeben wolle; denn 
nur dann habe es einen Sinn an der Konferenz teilzunehmen. 
Wenn Rußland gegen die Annexionserklärung Protest erhebt, dann 
werden auf seiner Seite stehen: England, Frankreich, Italien, die Tür¬ 
kei, Serbien und Montenegro und auch die Bevölkerung von Bosnien und 
der Herzegowina. Auf der anderen Seite werden nur Deutschland und 
Österreich bleiben und sie werden den Wünschen der anderen Mächte nach¬ 
geben müssen. Eine bessere Gelegenheit für die Türkei, sich der Um¬ 
armung Deutschlands zu entwinden und sich mit England, Frankreich 
und Rußland zu verbinden, kann es nicht geben. Jetzt muß man in 
diesem Sinne arbeiten und Österreich-Ungarn wird vor der Möglichkeit 
einer so starken Alliance erschrecken und in der Frage einer Gebiets¬ 
entschädigung an Serbien und Montenegro nachgeben müssen, denn 
sonst wäre es ganz isoliert. 
Nach diesen meinen Einwänden ließ Iswolski im Ton etwas nach und 
sagte, er werde über all dies noch nachdenken. Zur Charakteristik, wie er die 
Lage Rußlands und die allgemeine Lage auffaßt, dient wohl am klarsten 
seine Ansicht, wie man die Mission Seiner Hoheit des Thronfolgers 
betrachten müsse. Er meint, das Handschreiben des Königs brauche 
x) Von 190/i. 
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