Volltext: Geheimakten aus serbischen Archiven (Band I ; 1928)

von Montpensier abgelehnt und ihm, Ismael Kemal, ist es geradezu ge¬ 
lungen, ihn von seinem Vorhaben abzubringen, indem er auf seinem 
Schiffe von Valona nach Brindisi abreiste. Alle Albanesen sind der Mei¬ 
nung, man müsse diese Frage auf später auf schieben, für jetzt aber es 
der provisorischen Regierung überlassen, sobald als möglich das Terrain 
für alles das vorzubereiten, was der neue Herrscher und das neue Land 
benötigen. Jetzt müsse man erst den Staat schaffen und ihn ungefähr 
auf den rechten Weg bringen, an das übrige müsse man aber erst später 
denken, wenn man sehen wird wie es geht. 
5. Das Regime muß konstitutionell-parlamentarisch sein. Die Erfah¬ 
rungen, die die Balkanstaaten in dieser Hinsicht gemacht haben, müssen 
zugleich auch für die albanesischen Führer und für ihre Handlungs¬ 
weise bestimmend sein. Da die Albanesen seit jeher demokratische Ge¬ 
sinnungen hegten, so wird dies leicht sein. Ismael Kemal weiß aber 
nicht, daß es auch eine Strömung gibt, die in Albanien eine Republik 
nach schweizer Muster errichten will. 
6. Sowohl in Rom als hier sagte er, daß Italien und Österreich-Ungarn 
mit ihrer Freundschaft Albanien zugrunde gerichtet haben, indem sie 
die besten Teile an Griechenland und Serbien überließen. Darauf sagte 
ihm Graf Berchtold, sie hätten für Albanien getan, was möglich war. 
7. Graf Berchtold legte ihm ans Herz, Europa zu bereisen, besonders 
aber empfahl er ihm, nach Berlin zu gehen, um die Sache Albaniens 
zu verteidigen und für sein Land zu tun, was in seinen Kräften stände. 
8. Er und die Seinigen sind der Ansicht, daß sie mit Serbien, Monte¬ 
negro und Griechenland auf gutem Fuß stehen müssen. 
Ismael Kemal hält sich einige Tage hier auf, wird zwei- oder dreimal 
den Grafen Berchtold und die ihm unterstehenden zuständigen Beamten 
des Ministeriums des Äußern sehen. Mit diesen war er seit Valona in 
ununterbrochenen Verkehr; sie waren es, die ihm abrieten, Valona zu 
verlassen. Er hatte hier einen sehr schönen Empfang; da eine Gesell¬ 
schaft zur Unterstützung der Albanesen gegründet wurde, von der ich 
Ihnen schrieb, so war das leicht zu machen. Ismael Kemal, der ein 
sehr intelligenter Mensch ist, hat jenes Sprichwort gut verstanden: 
„Sage ihm Bruder, wenn es ihm lieb ist,“ und wenn er sich dabei 
wohl fühlt. 
Nr. 297. 
Der serbische Gesandte Jowanowitsch, Wien, 
an das Ministerium des Äußern in Belgrad. 
Wien, den 3./i6. April 1913. 
Ismael Kemal hat mir noch folgendes mitgeteilt: 
1. Auf seine Frage, warum man Prizren, Ipek (Petj), Diakoviza und 
Dibra (Debar) den Serben überlassen habe, antwortete man ihm am Ball¬
	        
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