Volltext: Geheimakten aus serbischen Archiven (Band I ; 1928)

würde dies ganz besonders schätzen, da es nicht imstande war — wie ich 
weiß — weder hier noch in London zu einer Anleihe zu gelangen, ob¬ 
zwar es eine solche ernstlich angestrebt hat. Finanzielle Ver¬ 
pflichtungen sind dochimmer ein gutes politisches Mit¬ 
tel. — Dies muß um so früher geschehen, denn ich erfahre, daß die 
Wiener Regierung bereit ist, mit den übrigen Mächten Montenegro finan¬ 
ziell beizuspringen, indem es sich gleichzeitig der Grenze mit Albanien 
widersetzt, „da die Londoner Konferenz diesbezüglich eine formelle 
Entscheidung gebracht hat, welche mit Rücksicht auf die Autorität Euro¬ 
pas nicht geändert werden kann“. 
Nr. 295. 
Der serbische Gesandte Popowitsch, Petersburg, 
an den Ministerpräsidenten Paschitsch in Belgrad. 
Persönlich! Petersburg, den 1./14 April 1913. 
Vertraulich! 
Durch den russischen Kurier. 
Die panslawistischen Straßendemonstrationen sind hier verstummt, 
nachdem sie die Regierung auf Befehl des Zaren streng verboten hat. 
Ebenso scheint es, daß auch die panslawistischen Bankette, die in letzter 
Zeit üblich geworden sind, und bei welchen die Regierung in Anwesen¬ 
heit von 2Öo—3oo Personen scharf kritisiert wurde, von der Tagesord¬ 
nung verschwinden werden. Ja noch mehr, man spricht davon, daß 
gegen einige dieser Bankettredner eine strafgerichtliche Untersuchung 
eingeleitet werden wird. 
Sie haben wohl schon Sasonows Communique über die Skutarifrage 
gesehen. Ungewohnt ist die scharfe Tonart, in der hier von König Nikola 
gesprochen wird. Allerdings hat König Nikola in den offiziellen Kreisen, 
ja sogar in der Gesellschaft, sehr viel von seiner einstigen Popularität 
eingebüßt. In panslawistischen Kreisen glaubt man ihm überhaupt 
nichts mehr, weder seiner Politik noch ihm persönlich. In der Politik 
wirft man ihm seine Zweideutigkeit und seinen übergroßen Opportunis¬ 
mus vor und hält ihn für fähig, selbst mit Österreich zu paktieren. Per¬ 
sönlich traut man ihm ebenfalls nicht über den Weg und wirft ihm 
seine große Habsucht vor. So hat man z. B. bei allen Spenden, die im 
Laufe des Krieges hingeschickt wurden, es vermieden, sie ihm persön¬ 
lich zu senden, und in letzter Zeit schickt man sie an die Königin Mi- 
lena. In Regierungskreisen glaubt ihm schon niemand mehr. Sasonow 
sprach mit mir neuerlich sehr scharf über ihn, und wenn Sasonow so 
spricht, so befürchtet er gewiß bei Hofe keinen Widerspruch. Interes¬ 
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