Volltext: Geheimakten aus serbischen Archiven (Band I ; 1928)

gung, aber er stimmt durchaus nicht mit unserem Wunsch überein nach 
einer Regulierung der Nordgrenze des Sandschaks zugunsten Serbiens und 
Montenegros. Als Grund dafür erwähnte er, daß die Agitation in Bosnien 
ohne Zweifel andauern wird, welche dort von früher besteht, und daß Öster¬ 
reich um so mehr alle Schuld auf uns werfen wird, je mehr sich unsere 
Grenze mit der seinigen auch an diesen neuen Punkten berühren wird. 
Dasselbe wird mit der Türkei der Fall sein, wenn irgendwelche Un¬ 
ruhen im Sandschak ausbrechen; deshalb ist es gerade in unserem Inter¬ 
esse, daß sich die Grenzen der Türkei und Österreichs berühren, nicht 
aber, daß wir und Montenegro zwischen ihnen uns befinden. 
Selbstverständlich konnte ich ein so kurioses Raisonnement nicht ohne 
Einwendungen lassen, aber auf jede meiner Äußerungen wiederholte 
bloß Herr Iswolski von neuem jene Argumente und sagte, er sei über¬ 
zeugt, daß eine Grenzregulierung in diesem Falle für uns schädlich sein 
würde. Ebenso habe ich es im Laufe des Gespräches nicht unterlassen, 
unseren Standpunkt und die Gründe zu entwickeln, weshalb wir nicht 
zufrieden sein können. Meine Hauptaufgabe war, ihm zu beweisen, daß 
die schweren Besorgnisse unserer Regierung und die Beunruhigung un¬ 
seres Volkes nicht bloß darin ihren Grund haben, weil die Annexion unsere 
Hoffnungen auf territoriale Expansion in Bosnien und der Herzegowina 
zerstört hat, sondern hauptsächlich, weil durch dieselbe, wenn auch nicht 
sogleich, so doch in Zukunft die Existenz des serbischen Staates in 
Frage gestellt ist. Deshalb, sagte ich, hoffen wir, daß die Großmächte 
unseren Protest und unsere berechtigten Forderungen Yon Kompensa¬ 
tionen in Betracht ziehen werden, mit welchen uns im äußersten Falle 
wenigstens reelle Garantien für unsere Existenz und für unsere unab¬ 
hängige und normale Entwickelung geboten wären. Nur auf diese Weise 
könnte man auf unsere Nation einwirken, daß sie die Entscheidung der 
Großmächte geduldig abwarte. Nur glaube man nicht, daß die Auf¬ 
regung im Volke vorübergeht; sie wird sich vielmehr noch stärker kund¬ 
geben, wenn uns die Mächte jene Satisfaktion vorenthalten, die wir von 
ihnen mit Recht erwarten. 
Herr Iswolski, der von seinen Argumenten nicht abzubringen war, 
wiederholte auf meine Einwendungen mehrmals, er tue alles Mögliche, 
um uns beizustehen, und er werde um so aufrichtiger und leichter sich 
für uns einsetzen können, als Rußland gar keine Kompensationen für 
sich begehrt; aber, sagte er, die Kompensationsfrage hänge von unserem 
Betragen ab; wir müßten begreifen, daß wir in dieser Hinsicht das 
Meiste erlangen werden, wenn wir mit den militärischen Vorbereitungen 
aufhören und der kriegerischen Stimmung im Volke entgegentreten. 
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2 Boghitsche witsch, Serbien.
	        
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