Volltext: Geheimakten aus serbischen Archiven (Band I ; 1928)

Nr. 2 45. 
Persönlicher Brief Paschitsch’s, Belgrad, 
an den serbischen Gesandten Ristitsch in Bukarest. 
Belgrad, den 7./20. Dezember 1912. 
Mein lieber Michael! 
Ich möchte eiligst Deine Aufmerksamkeit auf eine Sache lenken, 
welche uns gegenwärtig von Nutzen sein könnte. 
Wir haben des öfteren Gelegenheit, von unseren Gesandten oder 
Ministern, die in Bukarest verkehrten, zu hören, daß sowohl der König 
als auch die dortigen maßgebenden Kreise entschlossen sind, die Ände¬ 
rung des bestehenden Gleichgewichts am Balkan zu unserem Schaden 
nicht zu gestatten. 
Es wäre jetzt eine Gelegenheit, wo Rumänien einen Beweis hierfür 
liefern könnte. Rumänien hat wohl Freunde, die uns nicht gut ge¬ 
sinnt sind, aber diese Freunde sind gewiß gewillt, Rumänien zu be¬ 
friedigen, wenn sich hierzu eine Gelegenheit bietet. Und diese Sach¬ 
lage könnte in der Richtung ausgenützt werden, daß wir mit Hilfe Ru¬ 
mäniens zu einer Kompensation gelangen für die Territorien, die uns 
in Albanien entgehen werden. 
Die Kutzo-Walachen in Mönastir und Umgebung verlangen fort¬ 
während von unseren Kommandostellen, daß unsere Armee diese Ge¬ 
biete nicht auflasse, denn diese Kutzo-Walachen hassen sowohl die 
Griechen als auch die Bulgaren. Wenn ein Plebiszit stattfinden sollte, 
so würden diese Kreise einmütig für den Anschluß an Serbien stim¬ 
men. Die Griechen sind gegen die Bulgaren eingenommen, und diese 
wieder hassen die Griechen. Der Kutzo-Walach haßt alle beide; wir 
sind also in der Lage des lachenden Dritten. 
Wenn Du diese Sachlage in geeigneter Weise bei Deinen Besprechun¬ 
gen verwertest, so dürfte es nicht schwer halten, Rumänien für unsere 
Aspirationen in diesen Gebieten zu gewinnen. Um diesen unseren Aspira¬ 
tionen noch mehr Nachdruck zu verleihen, kannst Du die Gewährung 
einer Schul- und Kirchenautonomie an die Kutzo-Walachen unsererseits 
ohne weiteres zusichern. 
Die Bulgaren würden es sehr übel aufnehmen, wenn sie merken wür¬ 
den, daß wir mit Rumänien in dieser Sache verhandeln, deshalb emp¬ 
fehle ich Dir in dieser Beziehung die äußerste Vorsicht. Die Rumänen 
dürfen hiervon auch Österreich gegenüber nichts verlauten lassen, denn 
Wien würde Sofia darüber sofort avisieren. In Wien steht heute Bul¬ 
garien noch besser als Rumänien, trotzdem Rumänien eine wirklich 
freundschaftliche Politik der Monarchie gegenüber verfolgt. Ich habe 
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