Volltext: Geheimakten aus serbischen Archiven (Band I ; 1928)

laus' von Montenegro in Petersburg, in welcher ihm Turkhan Pascha 
mitteilte, Sasonow habe ihm gesagt, daß der Zar und die russische Re¬ 
gierung diese Gelegenheit benützen würden, um König Nikolaus ernst¬ 
lich zu ermahnen, sich ruhig zu verhalten und keine Verwicklungen auf 
dem Balkan heraufzubeschwören. 
Bezüglich der Beziehungen Österreich-Ungarns zu Rußland meinte 
Turkhan Pascha, daß sich dieselben bessern würden, und erinnerte 
daran, daß selbst Iswolski bald nach der Annexion ihm gesagt habe, 
daß diese Beziehungen nicht gespannte bleiben dürfen, damit Öster¬ 
reich und Rußland miteinander darüber „sprechen“ können. Turkhan 
Pascha hat den Eindruck, daß man auch heute aus derselben Ursache 
freundschaftliche Beziehungen zu Österreich wünscht, nur will man 
kein separates Übereinkommen mehr, wie ehemals das Übereinkommen 
zu Mürzsteg. Heute sind die politischen Persönlichkeiten aus der An¬ 
nexionszeit, wie Iswolski, Aehrenthal, Berchtold, Urussow u. a. m., nicht 
mehr in ihren Ämtern. Auch der jetzige Besuch des Großfürsten Andreas 
Wladimirowitsch wird zur Besserung der österreichisch-russischen Be¬ 
ziehungen beitragen. 
Nr. 166. 
Der serbische Militärattache Major Kalafatowitsch, 
Sofia, an den serbischen Kriegsminister in Belgrad. 
Sofia, den i./i4* Februar 1912. 
Gestern hatte ich eine Unterredung mit dem Generalstabschef General 
Fitscheff, und da in derselben wichtige aktuelle Fragen diskutiert wur¬ 
den, so habe ich die Ehre, sie dem Herrn Minister zur Kenntnis zu 
bringen. 
Fitscheff sagte: Ich freue mich, daß die Besprechungen einen be¬ 
friedigenden Verlauf nehmen, und halte es für gewiß, daß sie gut en¬ 
digen werden. Die Übereinstimmung zwischen den beiden Bruder¬ 
nationen ist sowohl für Serbien wie für Bulgarien notwendig, und sind 
sie einmal geeinigt, so werden ohne Zweifel auch Montenegro und Grie¬ 
chenland, da sie die gleichen Interessen haben, diesem Übereinkommen 
beitreten oder wenigstens in seinem Geiste mitwirken. 
Serbien und Bulgarien, miteinander vereinigt, sind imstande, allein 
mit ihren 600000 Mann die Lösung der mazedonischen Frage vorzu¬ 
nehmen und den mächtigsten Faktor auf dem Balkan darzustellen, mit 
dem man bei den politischen Kombinationen der Großmächte wird rech¬ 
nen müssen. Österreich wird das Balkanproblem ganz anders be¬ 
trachten müssen, wenn es wissen wird, daß hinter der serbischen Armee 
4oo 000 Bulgaren stehen. 
202
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.