Volltext: Geheimakten aus serbischen Archiven (Band I ; 1928)

Der deutsche Kanzler und der Staatssekretär erklärten in kategorischer 
Weise, sich auch der entferntesten Betätigung an der Entwicklung der 
türkischen Politik enthalten zu wollen. Rußland hat vor allen anderen 
Mächten den größten Anteil am Geschick der Türkei genommen. Wir 
haben dies nicht nur durch Worte, sondern auch durch Taten bewiesen. 
Wie es ja bekannt ist, hat Rußland große Summen geopfert, um den 
Zusammenstoß der Türkei mit Bulgarien zu verhindern. Der Besuch 
Konstantinopels durch slawische Monarchen fand große Sympathien 
in Rußland. Diese der Türkei gewährte Stütze wurde ihr im kritische¬ 
sten Momente ihrer Existenz geboten. Wer weiß, wie sich heute die 
Dinge auf der Balkanhalbinsel gestalten würden, hätte Rußland nicht 
im Interesse des Friedens große Opfer gebracht. In Deutschland wür¬ 
digt man dies, und die deutsche Regierung wird die Türkei nicht unter¬ 
stützen, falls die Türkei den allgemeinen Frieden in Europa oder in 
Asien zu stören beabsichtigt.“ 
Herr Sasonow sagte mir ferner, was nicht im Interview steht, daß die 
deutschen Staatsmänner bei der Zusammenkunft erklärt hätten, sie 
wünschen eine Konsolidierung der Türkei nur zu ihrer defensiven Be¬ 
reitschaft. Als ich ihn fragte, was für eine Defensive hiermit gemeint 
sei und gegen wen diese gerichtet wäre, antwortete mir Herr Sa¬ 
sonow, daß weder Rußland noch die Balkanstaaten eine 
Offensive ergreifen werden, und daß die Defensive nur 
Österreich-Ungarn betreffen könnte, falls diese Macht 
beabsichtigen sollte, gegen Saloniki vorzugehen (!?). 
Dann kamen wir auf die persische Frage zu sprechen. Was über die 
Aktion Deutschlands in der Presse gesagt wurde, sei übertrieben. 
Deutschland erhebt auf diese Gebiete keine besonderen Ansprüche. 
Über Persien selbst wurde nicht gesprochen, sondern über die so¬ 
genannte Zone unseres Einflusses, wie sie durch unsere Verständigung 
mit England vom Jahre 1907 bestimmt worden ist. Herr Sasonow 
sagte mir ferner, daß alle diese Unterredungen über Persien mit Kennt¬ 
nis Englands, welches hierüber auf dem laufenden gehalten wurde, ge¬ 
führt worden seien. 
Deutschland anerkennt unsere speziellen Interessen in Persien und 
werde uns diesbezüglich keine Schwierigkeiten bereiten, doch wünsche 
es, daß wir seine mit der Bagdad-Bahn zusammenhängenden Interessen 
beim künftigen Bahnbau in Nordpersien ebenfalls berücksichtigen. 
Sodann wehrte sich Herr Sasonow gegen die von der Presse gegen ihn 
erhobene Anschuldigung der Deutschfreundlichkeit. Er sagte: „Jede 
Frage werde ich nur vom Standpunkte des Rechtes und 
der Interessen Rußlands aus erwägen. Ich werde sie nicht 
nach irgendeiner Doktrine, sondern wie sie mir Vernunft und Gewissen 
zeigen beurteilen.“ 
Ich habe bereits erwähnt, daß mir Herr Sasanow gesagt hat, daß die 
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