Volltext: Die Kämpfe im Baltikum nach der zweiten Einnahme von Riga

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Unter russischer Flagge. 
der Heimat ganz aussetzte, mußte es über kurz oder lang zu einer regel¬ 
rechten Katastrophe kommen. Zunächst ließ sich die Truppe allerdings in 
ihrem Drang nach vorwärts durch diese Schwierigkeiten nicht aufhalten. 
Die Lage auf der Gegenseite. 
Auf der Gegenseite war inzwischen eine Strömung erkennbar geworden, 
die u. U. die Stellung der Deutschrussen wesentlich erleichtern konnte: die 
Friedensverhandlungen der Randftaaten mit der Sowjetunion hatten bei 
den konservativen und bürgerlichen Elementen schärfste Verurteilung ge¬ 
funden und innerhalb der besten lettischen Truppe, der Brigade Ballod, 
eine regelrechte Spaltung hervorgerufen, die in Annäherungsversuchen an 
die Landeswehr und in dem Erscheinen zahlreicher Überläufer bei den 
deutschen Truppen in der Gegend von Jakobstadt einen sehr bezeichnenden 
Ausdruck fand. Man nahm daher an, daß die Dallod-Truppen sich an einem 
offenen Kampf gegen Russen und Deutsche kaum beteiligen würden. Die 
angeordnete Mobilmachung hatte in den großen Städten, Riga und Libau, 
einen vollen Mißerfolg und trug nur zur Verschärfung der regierungsfeind¬ 
lichen Stimmung, namentlich unter der Arbeiterschaft, bei. 
Dafür hatte allerdings der ehemals deutsche Rittmeister Goldfeld ein Frei¬ 
korps — z. T. aus deutschen Deserteuren — gebildet, dessen Kampfkraft das 
deutsche Generalkommando verhältnismäßig hoch einschätzte. Auch die 
übrigen Truppen der Gegenseite hatten sich zweifellos durch die lange 
Kriegsdauer und die in den letzten Monaten vorhandenen Ausbildungs¬ 
möglichkeiten verbessert. Sie erhielten erhebliche Zufuhren an Waffen und 
Munition aus dem Auslande, worunter wohl England zu verstehen ist. 
Nach einer lettischen Quelle sollen allein im Oktober 22 Geschütze, 124 Ma¬ 
schinengewehre, 30 000 Artilleriegeschosse und erhebliche Mengen Hand¬ 
granaten und Gewehrpatronen eingetroffen sein. 
Operativ stellten sich die Letten in der zweiten Oktoberwoche äußerlich auf 
Abwehr ein. Am 3. Oktober wurde durch Abhören festgestellt, daß lettischer# 
seits erhöhte Alarmbereitschaft angeordnet worden war. Am 6. Oktober 
erfolgte indessen ein allerdings nicht voll zur Entwicklung gekommener 
Angriff aus der Olai-Stellung, der die wahren Absichten der Letten verriet 
und von ihnen eifrig vertuscht wurde. 
Günstig für die deutsch-russische Sache war, daß Litauen sich trotz 
des englischen Drucks zunächst nicht zu einem aktiven Vorgehen gegen die 
Ostflanke der Weftarmee verleiten ließ. Die bei Szadow zusammengezo¬ 
genen Litauer zeigten wenig Kampflust, sie hätten nur dann eine wesent¬ 
liche Gefahr gebildet, wenn den Letten und Esten ein taktischer Erfolg 
beschicken gewesen wäre.
	        
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