Volltext: Die Rainer am Cimone

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Donnerstag, 25. Mai 1916. 
Korpsreserve im Raume Baito Restele und Baito Casalena 
Eigentlich sollten wir uns über die Tageszeitungen 
ärgern, die den ganzen Erfolg der Durchbruchsschlacht den 
Kaiserjägern zuschreiben. 
Uns kann vielleicht nur die Anerkennung der Kaiser 
jäger selbst trösten, die die Nähe der „Briefträger" immer 
als einen Wertmesser für die Größe des kommenden 
„Tschoches" — wie man besonders große Leistungen kurz 
zu bezeichnen pflegt— betrachten. 
Im übrigen haben die höheren Kommanden unseren 
Leistungen doch die verdiente Anerkennung gezollt. Das 
Offizierskorps kann sich in dieser Hinsicht nicht beklagen. 
Die telegraphischen Eingaben zu hohen Auszeichnungen, 
die außertourlichen Beförderungen haben allseits Freude 
und Genugtuung ausgelöst. Und doch will es uns scheinen, 
als ob man der Mannschaft gegenüber eine gewisse Zurück 
haltung ausüben wollte — falls die umlaufenden Gerüchte 
auf Wahrheit beruhen. 
Es soll nämlich nur ein ganz bestimmter Prozentsatz 
des Feuergewehrstandes zu Auszeichnungen eingegeben 
werden.TüchtigeMathematiker haben bereits ausgerechnet, 
daß daher auf jede Kompagnie nur 18 silberne Tapferkeits 
medaillen, darunter 5 der 1. Kl. fallen werden. 
Wenn wir dem gegenüberstellen, daß das Offiziers 
korps ein Drittel, die Mannschaft ein Viertel ihres Standes, 
insgesamt also 869 Soldaten eingebüßt hat, dann könnte 
man sich, angesichts des erzielten Erfolges, über eine 
solche engherzige Maßnahme wundern. 
Nicht das ist es, was uns mißmutig macht! Das seit 
gestern nachmittag einsetzende Regenwetter hat unsere 
frohen Gefühle überschattet. Die Unzulänglichkeit unserer 
Laubhütten, die bei schönem Wetter unseren bescheidenen 
Ansprüchen genügten, tritt nun in Erscheinung. Wir kommen 
aus den nassen Kleidern nicht heraus. Die bei strömenden 
Regen durchzuführenden Arbeiten an der Straße, deren 
Oberfläche sich bei dem fehlenden Unterbau in einen dick 
flüssigen Brei verwandelt hat, tragen keineswegs dazu bei, 
unsere Stimmung zu verbessern. Da lob’ ich mir den Feind! 
Achter-Alpini, die auf der Straße eskortiert werden, plap 
pern vor Vergnügen. Den Stahlhelm auf dem Kopf, ein 
gehüllt in den kurzen Radmantel, schlendern sie an uns vor 
bei. Schade, daß wir ihre Sprache nicht verstehen. Der uns 
beherrschende Mißmut macht sich hie und da in kräftigen 
Worten Luft, die von den vorbeiziehenden Italienern mit 
Grinsen quittiert werden. Sie wurden beim heutigen Angriff 
der Gruppe Gm. Müller auf die feindliche Stellung am 
Mte. Cimone gefangen. Es war ein schöner Erfolg. Die die 
Stellung verteidigenden zwei Alpini-Baone wurden gegen 
Abend überwunden, fünf Geschütze, vier MG. erbeutet und 
viele Gefangene eingebracht. 
Das herrschende Regenwetter und die Eintönigkeit der 
Straßenarbeit bringen uns in gelinde Verzweiflung. Unser 
Innerstes sträubt sich gegen die weitere Fortsetzung dieser 
Arbeiten, die, wie es uns scheinen will, nur ein Vorwand 
sind, um uns zu beschäftigen. Die mit großer Erleichterung 
aufgenommene Meldung vom Abmarsch des Regimentes 
erweist sich leider als falscher Alarm. Die abgebrochenen 
Zelte werden wieder aufgestellt, die Laubhütten wieder 
bezogen und mißmutig dösen wir in unseren Behausungen, 
von deren Decken die Regentropfen mit einer nerven- 
aufpeitschenden Regelmäßigkeit fallen. Den Höhepunkt 
aber bildet ein furchtbares Gewitter, das um Mitternacht 
durch das Asticotal tobt. Kleine Wildbäche nehmen ihren 
Weg durch unsere Laubhütten und Zelte. Wir können 
nirgends entrinnen. In nasse Decken gehüllt erwarten wir 
mit Fatalismus den nächsten Tag. 
Freitag, 26. Mai 1916. 
Korpsreserve im Raume Baito Restele und Baito Casaiena 
Ein ekler Tag! Es regnet ununterbrochen. Die Arbeiten 
der Detachements, die auf den Schlachtfeldern des Regi 
ments mit den Bergungsarbeiten beschäftigt sind, die 
Straßenbauarbeiten und die durch die seinerzeitige Artil 
leriewirkung bedingte Baumfällung erleiden eine starke 
Einbuße. Fröstelnd, frierend, von Fieberschauern geschüttelt, 
verbringen wir den Tag. Mjr. E b e r I e soll das Kommando 
des I. Baons übernehmen; aber es ist nur eine vorüber 
gehende Erscheinung, schon am nächsten Tage geht er 
krank ins Spital ab.
	        
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