Volltext: Die Rainer am Cimone

164 
hinaus. Unsere Augen weiten sich, wollen das Dunkel der 
Nacht durchdringen. Es mag etwa 3 Uhr früh gewesen sein, 
als verdächtiges Geräusch uns aufhorchen läßt. Es scheint 
vom West-Süd-und Osthang des Cimonekopfes zu kommen. 
Das Geräusch verdichtet sich zu lebhaftem Geklapper. Die 
Italiener erklettern den Westhang des Cimonekopfes: 
Jetzt kommen sie! Der vorgeschobene Posten hat sich auf 
die Feldwachenstellung beim Telephonhäuschen zurück 
gezogen. Dort ist man zum Empfang des Gegners bereit. 
Und als sich aus dem Dunkel der Nacht die ersten Ge 
stalten loslösen, prasselt ein Feuerhagel auf sie. Immer 
mehr werden ihrer, die den Westhang erklettern. Ihre Ab 
Das I. Baon und Y^3. Komp, in Stellung auf 
Ein schöner Tag kündigt sich an. Es ist uns unerfindlich, 
warum die feindliche Artillerie sich immer wieder den Ab 
schnitt der 1. Komp, an der Straße als Ziel erwählt, wie 
wohl der Feind noch niemals imstande war, seine Infan- 
terieangriflfe bis an die Front derselben vorzutragen. Schon 
seit 5.30 Uhr früh hämmern sie auf uns los. Das kommt 
uns wahrlich nicht gelegen! Wir sind seit Tagen nicht mehr 
ordentlich zur Ruhe gekommen! Erst vor etwa iy 2 Stunden 
ist der Probealarm, der die Kampfbereitschaft des Regi 
mentes überprüfen sollte, abgesagt worden. Und jetzt das 
Artilleriefeuer, das sich allmählich zu einem Massenfeuer 
steigert! Wieder sind es vor allem die Batterien bei und 
südlich Pta. Corbin sowie die Talbatterien bei C. Pierotti, 
die uns stark in Mitleidenschaft ziehen. Unserer Artillerie 
gelingt es wohl, einige Batterien zum Einstellen ihres Feuers 
zu verhalten, aber leider nur so lange, als die Beschießung 
anhält. Das veranlaßt das Regimentskommando neuer 
dings, an die Brigade mit der Bitte um Abhilfe heran 
zutreten. Im Laufe des Vormittags wird uns mitgeteilt, daß 
seitens der Artillerie des 1. Korps eine Beschießung des 
Raumes um Pta. Corbin geplant ist. Auch der Abschnitt der 
2., 3. und 4. Komp, hat unter starkem Artilleriefeuer zu 
leiden. Trotzdem wird unsere Beobachtung davon in keiner 
Weise beeinträchtigt. Etwa um 6 Uhr früh bemerkt man 
von der Stellung der 3. Komp, aus zwei feindliche Kom 
pagnien im Marsche auf der Straße Barcarola—Tonezza. 
Auch der alpinen Abteilung ist diese Bewegung nicht ent 
gangen. Wir vermuten, daß diese Truppen dem Baon an 
gehören, das Lt. P i ck vor etwa zwei Stunden in Valpegari 
feststellen konnte. Daß sie Neulinge sind und die Gefechts 
verhältnisse hier noch nicht kennen, beweist die Sorglosig 
keit ihres Marsches. Mit den Musketen und den vorhan 
sicht ist uns sofort klar. Sie wollen uns umfassend angreifen! 
Diese Absicht wollen wir im Keim ersticken. In die dumpfen 
Explosionen unserer Handgranaten mischt sich das Krachen 
der Wurfgranaten unserer Granatwerfer. Ihr Schnellfeuer 
bringt Unordnung in die Reihen der Feinde. Das Schreien 
der Verwundeten dringt bis zu uns herauf. Jetzt die Stein 
lawinen! Mit donnerndem Gepolter rollen die Felstrümmer 
den Westhang hinab. Immer größer wird ihre Wucht. Sie 
kollern nicht mehr! Sie fliegen in weitem Bogen dem 
Feinde zu! Immer ruhiger wird es dort. Nur das Jammern 
und Stöhnen der Verwundeten wird laut. Wieder ein An 
griff abgewehrt! Wie viele noch? 
„Cimone Ost" 
denen Zielfernrohrgewehren wird auf den ahnungslosen 
Feind ein Feuerüberfall eingeleitet, dessen Weitermarsch 
in eine regelrechte Flucht ausartet. Mit dem Fernglas wer 
den 29Tote und ebensovieleVerwundete gezählt. Auch auf 
dem Raum von Campana legt sich wie immer die Wucht des 
feindlichen Artilleriefeuers. Immer mehr wird Campana 
zu einem Trümmerhaufen. Heute hat die Artillerie einen 
Granatvolltreffer in dem Hause erzielt, in welchem sich der 
Hilfsplatz des IV. Baons eingerichtet hatte. Unbekümmert 
um die feindlichen Schrapnells, die den Raum ununter 
brochen abstreuen, finden sich beherzte Mannschaften, die 
ihre schwerverwundeten Kameraden in Sicherheit bringen. 
Um 12 Uhr mittags wird das Feuer endlich schwächer und 
hört um 1 Uhr völlig auf. Diese Feuerpause benützt Fhnr. 
Saffert der 3. Komp, wieder zu einer Patrouillenunter 
nehmung. Beim Wirtshaus an der Straße, dem Schauplatz 
seines letzten Erfolges, gelingt es ihm neuerdings, drei 
Italiener gefangen zu nehmen. Sie machen auf uns einen 
sonderbaren Eindruck, mit ihren gestrickten Hemden, die 
sie anstatt der Bluse tragen und ihren ebensolchen Hals 
tüchern. Um 5.30 Uhr nachmittags beginnt das feindliche 
Artilleriefeuer von neuem, das kurz darauf wieder den 
Charakter eines Trommelfeuers annimmt. Bis 10 Uhr abends 
dauert es! 
Die bisher so erfolgreiche Verteidigung der Cimone- 
front scheint die höhere Führung in ihrem Entschluß be 
stärkt zu haben, sie als Dauerstellung zu behaupten. Die 
Befehle für den Ausbau unserer Stellung, die Vorsorgen, 
die sich auf die Zuteilung von genügend Sprengwerk- 
zeugen und Sprengmitteln beziehen und die geplante 
Neuverteilung der technischen Truppen können als sicherer 
Beweis dafür gelten.
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.