Volltext: Die Rainer am Cimone

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sein Quartier aufschlug, hat Kdtt.-Asp. Ferdinand Moser 
Grabendienst. Die Geländeformation ist hier überaus 
interessant. Den steilen Ostwänden legt sich, einem 
schwach gekrümmten Finger gleich, eine schmale, nach 
beiden Seiten hin abfallende Felsrippe vor. Die dadurch 
gebildete Schlucht kann als wichtige Annäherungsmöglich 
keit des Feindes gelten. Unsere Abwehrstellungen befinden 
sich nicht oben am Plateaurand, sondern ein gutes Stück 
unterhalb. Sie bestehen aus einzelnen Postenständen, die 
ein Vorgehen des Feindes in der Schlucht flankieren 
können. Die Wurzel der Schlucht ist durch einen Graben 
gesperrt, vor den sich ein starkes Drahtverhau legt. 
Ringsum herrscht tiefe Stille. Plötzlich ein dumpfer Knall 
unterhalb der Stellung! Kdtt.-Asp. Moser glaubt zuerst 
an Handgranatenwürfe unserer Posten. Doch nichts ist von 
dieser Seite aus geschehen. Das erregt unseren Argwohn. 
Nun kracht es wieder unter uns! Der Feind sprengt unsere 
Drahthindernisse! Im Nu ist der Rest des Zuges alarmiert. 
Schon kracht der erste Schuß! Der hinter einem Gebüsch 
auftauchende behelmte Italiener stürzt tödlich getroffen in 
die Schlucht. Das scheint das Signal zum Angriff zu sein. 
Der Schlachtruf der Italiener gellt durch den frühen Mor 
gen. „Neunundfünfziger, ergebt euch!" schallt es zu uns. 
Mit Avantirufen sucht ein Offizier den Angriff in Fluß zu 
halten. Immer wieder taucht ein todesmutiger Feind vor 
unserem Drahtverhau auf. Er wird im Kreuzfeuer unserer 
Gewehre wie auf einer Schießstätte abgeschossen. Unsere 
Handgranaten explodieren mit dumpfen Krachen in der 
Tiefe. Felsblöcke und Steine rollen in die Schlucht, alles vor 
sich zermalmend. Das ist das Ende! Ein schreckliches Ge 
brüll tönt zu uns herauf. Es ist uns, als ob der Wut und 
Rache schnaubende Feind sich auf diese Weise für die 
erlittene Niederlage Luft schaffen wollte. 
Unterhalb unserer Stellung ist es allmählich stille ge 
worden. Das regt an, das Schlachtfeld von heute früh 
genauer zu rekognoszieren. Kdtt.-Asp. Moser erinnert 
sich an eine etwa fünfzig Schritte unterhalb seiner Stellung 
befindliche Höhle, die er gelegentlich einer Erkundung 
entdeckt hatte. Dorthin schickt er jetzt eine Patrouille. Und 
richtig! Seine Vermutung hat ihn nicht betrogen. In der 
Höhle haben sich Italiener versteckt, welchen die Helle des 
Tages den Rückzug abgeschnitten hat. Beim Nahen unserer 
Patrouille geben sie sich sofort gefangen. Es sind acht 
Mann. Auch der Kommandant der Unternehmung, ein 
Oberleutnant, ist dabei; er hat einen Oberschenkelschuß 
erhalten. Zwei Gefangene sind ebenfalls verwundet 
worden. Nun geht es wieder in unsere Stellung zurück. In 
ein Zeltblatt eingehüllt, wird der italienische Offizier von 
seiner Mannschaft die Schlucht heraufgezogen. Die ge 
fangenen Italiener sind scheinbar mit ihrem Schicksal zu 
frieden. Sie loben die österreichischen Soldaten und 
schimpfen über ihre Menage. Sie gehören der 7. Komp, 
des 146. Milizregimentes an, das sich aus Süditalien rekru 
tiert. Es kämpft im Verbände der Brigade Catania. Wir 
sind zwar nicht geneigt, den Aussagen der noch unter dem 
Eindruck der jüngsten Geschehnisse stehenden Gefangenen 
vollen Glauben zu schenken, wonach die 7. Komp, des 
146. Milizregimentes aufgerieben wurde, müssen aber ihre 
Verluste, gestützt auf unsere Beobachtungen, als sehr be 
trächtlich bezeichnen. Wir haben nur einige Verwundete 
zu beklagen. Einer davon ist durch eine Bodenzünder- 
Handgranate, bei welchen in der letzten Zeit häufig vor 
zeitige Rohrexplosionen beobachtet wurden, an der Hand 
schwer verletzt worden. 
Es ist 9 Uhr vormittags geworden! Unsere „Landler" 
können sich nicht enthalten, in die Schlucht zu steigen, um 
nach Beutegegenständen zu suchen, wobei es ihnen vor 
allem um die Befriedigung leiblichen Wohles zu tun ist. 
Sie sollten auch nicht enttäuscht werden. Die massenhaft 
dort herumliegenden Brotsäcke enthalten unter anderem 
auch Zwieback und Schweinefleischkonserven, Dinge, die 
uns besser munden, als die gestrige Fassung. Das sich zer 
bröckelnde Maisbrot, das mit der Tabakfassung eine innige 
Verbindung eingegangen hat, gibt dem geräucherten Hai 
fisch an Qualität nichts nach. Nur im Gerüche erinnert er 
an die Fleischtöpfe des Innviertels; ansonsten ist er so hart 
wie Leder und auch so leicht verdaulich wie dieses. Was 
liegt also näher als die Absicht, diesen Genuß auch dem 
Feinde zu vermitteln? Und weit im Bogen schleudern wir 
ihn über den Felsrand; der Feind mag sich bei seiner 
Identifizierung den Kopf zerbrochen haben. 
Trotz der heute früh erlittenen schweren Niederlage 
läßt der Feind noch immer nicht jene Vorsicht walten, die 
angesichts der Nähe unserer Stellung geboten erscheint. 
Und da sich unsere Tätigkeit nicht nur auf die Beobachtung 
beschränkt, sondern im Zusammenhang damit darauf hin 
zielt, dem Feind das Leben möglichst sauer zu gestalten, 
lassen wir keine Gelegenheit ungenützt, um ihm Verluste 
beizubringen. Um y 2 10 Uhr vormittags beobachtet Fhnr. 
Star kl eine größere feindliche Kolonne im Aufstieg auf 
der Serpentinenstraße Barcarola—Tonezza. Durch das 
Glas sind deutlich die Stahlhelme der Feinde zu erkennen. 
Noch ist die Kolonne zu weit entfernt, um sie mit Erfolg 
beschießen zu können. Unterdessen werden die Musketen 
patrouillen und die Scharfschützen angewiesen, erst dann 
auf den Feind zu schießen, wenn seine Tete die Serpen 
tine bei der markanten Felsnase unterhalb unserer Stel 
lung erreicht hat. Entfernung 800 Schritte! Auch die Artillerie 
wird im Wege des I. Baons-Kommandos von unserer Ab 
sicht verständigt. Wir müssen lange warten! Endlich ist der 
Augenblick gekommen. Achtung! Feuer! Der Feind, der in 
Reihen marschiert, scheint einen Augenblick starr vor Über 
raschung. Schon wälzen sich Körper auf der Straße. Unsere 
Musketen und Scharfschützen machen ganze Arbeit! Wie 
weggeblasen ist die feindliche Kolonne, nur die Toten und 
Verwundeten liegen auf der Straße; wir zählen deren etwa 
fünfzehn. Nun hat auch unsere Artillerie eingegriffen. Ihre
	        
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