Volltext: Alt-Wiener Kulturbilder [322/323]

Ein Luftflieger im alten Wien. 
Der Uhrmacher Jakob Degen, der die Kunst erfunden 
haben wollte, mit riesengroßen Flügeln, die er als geschulter 
Mechaniker sich selbst angefertigt, die Luft zu durchschiffen, 
machte im Jahre 1808 in Wien kein geringes Aufsehen. Er 
lebte bisher von seiner Uhrmacherkunst, kam aber dabei auf 
keinen grünen Zweig. Da er dies aber durchaus wollte, so 
erschuf er sich Flügel, die vorzüglich gemacht, aber vielleicht 
nur zu kompliziert waren. Sie arbeiteten nur ihr eigenes 
Gewicht in die Höhe und er mußte sich daher eines Ballons 
bedienen, der seine Körperlast hob. Als er so weit war, 
kündigte Herr Degen seine erste Auffahrt im Prater auf dem 
„Feuerwerksplatz“ an. Der Zudrang war ungeheuer und die 
Einnahme des Künstlers betrug gewiß über dreißigtausend 
Gulden in Bankozetteln. 
Ach, hätte Herr Degen nur mit dieser Summe gleich 
davonfliegen können! Aber leider blieb er auf der Erde sitzen, 
gleich einem Vogel, der sich einen Flügel gebrochen. Auch 
Herrn Degen brach ein Flügel und das Schauspiel unterblieb. 
Dagegen führte nun das Puplikum ein anderes Schauspiel 
auf. Die Zusicherung, daß es für sein bereits erlegtes Geld 
das versprochene Experiment bei nächster Gelegenheit sehen 
werde, wies es mit Entrüstung zurück. Es schimpfte, fluchte, 
spottete und wollte die Kasse stürmen. Es wäre zu ernsten 
Auftritten gekommen, hätte nicht die Polizei die Gelder mit 
Beschlag belegt und den Schreiern Sicherheit dafür zugesagt. 
Zum Unglück Degens war damals auch ein Franzose in 
Wien, ein Herr Robertson. Er war bereits viermal mit seinem 
Ballon aufgestiegen und das Publikum äußerte sich: „Warum 
gelingt es denn dem Franzosen und nicht dem Wiener? — 
Weil jener seine Kunst versteht und dieser ein Dummkopf ist.“ 
Der witßtige Professor Stein, einer der geistreichsten Epi— 
grammatiker, antwortete den Unzufriedenen, in deren Mitte 
er sich zufällig befand:
	        
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