Volltext: Alt-Wiener Kulturbilder [322/323]

die größte Künstlerin ist, welche je gelebt hat,“ es versöhnte 
sie nach heftigem Zwiespalt, nach erbittertem Zank nichts als 
das Wort Vigano. Im Tarronischen Kaffeehause auf dem 
Graben gerieten einmal ein paar alte Schachspieler in einen 
heftigen Wortwechsel. Sie warfen einander schon die Schach— 
figuren ins Gesicht und der eine faßte bereits das Schach⸗ 
brett, um es seinem Gegner an den Kopf zu schlagen, als der 
Kaffeesieder rief: „Aber, meine Herren, vergessen Sie denn 
ganz, daß Ihnen mein Markbr heute Sperrsitze zu 
Madame Vigano verschafft hat und daß Sie ins Theater 
müssen, da schon die siebente Stunde heranrückt?“ — „Wie?“ 
rief der Mann, der am allerärgsten getobt hatte, „der Herr 
von ..... wollen heute auch die Vigano seheni Da gehen 
wir ja zusammen! Gegen einen, der die Vigano tanzen 
sehen will, habe ich keinen Groll.“ Sie umarmten einander 
und eilten ins Theater. J 
Daß sich die Kaufleute, die Kunst- und Putzhändler, die 
Modistinnen, die Luxusarbeiter, dann Schuster und Schneider 
der Firma „Vigano“ bedienten, um ihren Waren und Er— 
zeugnissen Anteil und Absatz zu verschaffen, war natürlich. 
Was der Wiener immer? anzuschaffen hatte, mußte mit dem 
Namen „Vig ano“ geschmückt sein, und ließ es der Gegen— 
stand zu, das Bild der Angebeteten darauf anzubringen, so 
konnte man versichert sein, daß die Nachfrage eine unge— 
heure war 
Der Kunsthändler Löschenkohlsauf dem Kohlmarkt, 
der durch mehrere verfehlte Spekulationen schon ganz herab— 
gekommen war, kündigte plötßlich „Damen fä cher à La 
Vigano“ an. Kaum wurde diese Anzeige in der „Wiener 
Zeitung“ gelesen, so bestürmten auch chon die Bedienten 
der Vornehmen und Reichen Lös chenkohls Niederlage. Die 
feineren, eleganten Fächer kosteten zwei Dukaten, die minder 
schönen einen Dukaten, die ordinäre Sorte einen Gulden und 
dann wurden noch ganz simple Fächer à la Vigano aus 
gemeinem Holze und aus Papier für 20 Kreuzer ausgeboten, 
natürlich alle mit dem Bilde der Madame Vigano geziert. 
Im Zeitraum eines Vormittags verkaufte Löschenkohl 
seinen ganzen Vorrat. Er mußte Tag und Nacht in seiner 
Fächerfabrik arbeiten lassen und konnte nicht genug Leute 
für seinen Verkaufsladen auftreiben, die Liebhaberinnen
	        
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