Volltext: Der Feldzug im Baltikum bis zur zweiten Einnahme von Riga

Der Vorstoß auf Mitau 
67 
stärkeren Widerstand der Russen, gegen den die zu Pferd und auf Kraft- 
wagen nachgesandten deutschen Abteilungen in nächtlichem Waldgefecht 
nichts zu erreichen vermochten. Die Gefangenen blieben in der Gewalt der 
Bolschewisten. Diese verfuhren mit der bei ihnen üblichen brutalen Grau¬ 
samkeit. Wer von den vielen alten und gebrechlichen Gefangenen bei dem 
schnellen Marsch durch die eisige Winternacht nicht mehr weiter konnte, 
wurde kurzerhand erschossen oder im Straßengraben seinem Schicksal über¬ 
lassen. Die übrigen wanderten in die Gefängnisse von Riga, wo viele 
noch das schauerliche Schicksal der schon früher gemordeten Märtyrer des 
baltischen Deutschtums ereilte. 
Von den abgetrennten Teilen der Landeswehr hatte die Abteilung 
Lieven bis in die Abendstunden des 18. März bei Kalnzem erfolglos 
gekämpft und war dann nach Kasuppen zurückgegangen. Die Abteilung 
Engelhardt erreichte am 18. März Buschhof. Das Bataillon 
B a l l o d erhielt Befehl, am 19. nach Schlock zu rücken, um die dort befind¬ 
liche schwache Sicherung zu verstärken'). Das Gros der Landeswehr befand 
sich, da südlich Mitau noch rote Truppen mit der Eisernen Division im 
Kampf standen und auch zwischen Mitau und Tuckum zahlreiche Bolsche¬ 
wisten zurückgeblieben waren, in Mitau wie auf einer Insel. Es blieb 
zunächst dort und traf die nötigen Vorbereitungen zur Verteidigung. Die 
weitere Entwicklung mußte von den Divisionen des VI. Reservekorps 
ausgehen. 
Beurteilung des Vorstoßes auf Mitau. 
Die Unternehmung gegen Mitau hat im Gegensatz zu der gegen Tuckum 
nicht den einhelligen Beifall der vorgesetzten Dienststellen gefunden. Der 
Kommandierende General insbesondere beurteilt sie in einem nach dem 
Kriege an den damaligen Ersten Generalstabsoffizier der Landeswehr ge¬ 
richteten Brief zwar als militärisch und menschlich verständlich, aber als tak¬ 
tisch nicht gerechtfertigt. Schon die Einnahme von Tuckum habe das vom 
Armeeoberkommando Nord festgesetzte Ziel wesentlich überschritten. Er habe 
selbst bedauert, daß dieses Ziel so eng begrenzt gewesen sei, aber „schließlich 
muß ein Unterführer gehorchen". Er könne das weitere Überschreiten des An¬ 
griffsziels g e g e n den ausdrücklichen Befehl auch nachträglich nicht richtig 
finden. Den Gedanken allein, völlig aus dem Rahmen fallend, schon im 
damaligen Stadium Riga zu nehmen, bezeichnet Graf von der Goltz als 
„etwas phantastisch". Er verwahrt sich dabei ausdrücklich dagegen, daß seiner 
l) Kam nicht zur Ausführung. 
5*
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.