Volltext: Der Feldzug im Baltikum bis zur zweiten Einnahme von Riga

Idyll auf der Ruin« 
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„Das war allerdings herrlich da, und die Stunden da oben sind mir 
unvergeßlich geblieben. Weit über der Erde kam es einem allerdings vor 
wie ein großartiges Schauspiel, das sich weit unter einem rings um die 
Stadt abspielte. Ein herrlicher stiller Vorfrühlingstag. Große weiße 
Wolken zogen langsam am Himmel an einem vorbei. Unten auf den Äckern 
zwischen den unbestellten braunen Feldern das erste zarte Grün, durch das 
im Tal weithin die Memels floß. Nach allen vier Himmelsrichtungen konnte 
ungehindert der Blick wandern. Nach Norden der Aa-Strom, an seinen 
Ufern die Türme der Schlösser von Bornsmünde und Mesoten, die Ruhen¬ 
taler und Zodener Wälder, ans denen weiter östlich der uns bekannte trigo¬ 
nometrische Turm von Lambertshof hervorsah. Dann die Straße nach 
Alt-Raden und Schönberg, nach Süden das schmalere Bett der Muscha, an 
deren Uferhängen der letzte weiße Schneeflocken vor der Sonne 
schmolz, nach Westen der Weg nach Sheime mit all den bekannten Gesinden 
und die Forst von Kautzmünde, an der oben, wie ein Spielzeug von hier 
anzusehen, der Kleinbahnzug vorbeidampfte. »Die rasende Kurländerin«, 
hieß er spöttisch im Volksmunde, weil er immer gar zu gemütlich durch die 
Felder kroch. Und der Krieg da unten kam uns weit Entrückten hier oben 
wie ein kindisches Spiel vor. Wie ein Spiel, denn wir hörten noch keinen 
«Sanitäter« rufen und sahen keine blutigen Verbände, aber kindisch, denn 
wozu, warum stritt man sich denn da unten, wo die Erde so schön und so 
weit war, daß sie für alle hätte Ruhe und Freude geben können? 
„»200 zulegen, 20 mehr«, so oder ähnlich weckte einen dann plötzlich der 
Beobachter mit seinem Fernsprechbefehl aus den Gedanken. Und dann 
Krach. Der Abschuß der Batterie dicht unter uns. Der Kriegsfilm rollte 
weiter. Programmäßig. Die feindlichen Schützenlinien wurden im Vor¬ 
gehen zusammengeschossen, wir sahen, wie Boetticher in Verfolgung des 
Feindes zusammen mit den 64ern Memelhof wieder nahm, wie die feind¬ 
lichen Kanonen und Fahrzeuge davonsausten und hinter Zoden, wo sie 
noch mal von unseren Kanonen gehascht wurden, verschwanden, sahen auch, 
wie der Feind, offenbar ohne einheitliche Führung, weiter nach Osten an der 
Memel die 1. angriff, die sich seiner mit Mühe erwehrte. Südlich der 
Memel, wo schon die 64er lagen, blieb es still, die 98er hatten für heute 
morgen genug. 
„Bis nach 4° blieben der Hauptmann und ich oben. Erst als die Kanonen 
ihre letzten Schüsse den Fliehenden hinterhergejagt, kletterten wir herunter 
und gingen in die Stadt zurück, wo es des Erzählens viel gab und große 
*) Auf der Karte — Njemenek.
	        
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