Volltext: Der Feldzug im Baltikum bis zur zweiten Einnahme von Riga

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Politische« Zwischenspiel 
vereinigt waren. Es wurde bekannt, daß die Regierung ein radikales Land¬ 
enteignungsgesetz vorbereite, das die Lebensinteressen der Balten aus das 
schwerste treffen mußte. Auch mit einer Landung der Engländer, der Räu¬ 
mung Kurlands durch die Reichsdeutschen und neuer Bolschewistenherrschaft 
glaubten die Balten rechnen zu müssen. 
Regierungssturz. 
In der Landeswehr und im Stoßtrupp insbesondere war denn auch die 
Überzeugung durchgedrungen, daß die lettische Regierung nur der Gewalt 
weichen würde und daß deshalb etwas geschehen müsse. Die mäßigende 
Einwirkung des Oberstabes, der vor allem eine Verschärfung des Verhält¬ 
nisses zu den Ententemächten befürchtete, reichte nicht aus, um die politisie¬ 
renden Kreise innerhalb und außerhalb der Landeswehr in Schranken 
zu halten. 
Es entsprach durchaus den Wünschen dieser Kreise, daß der Stoßtrupp 
im Zuge eines allgemeinen Ablösungsplanes am 15. April zur Erholung 
und Ergänzung seiner Ausrüstung nach Libau verlegt wurde. Er traf dort 
in dem Augenblick ein, als das Freikorps Pfeffer mit den im Kriegshafen 
liegenden lettischen Truppen in Konflikt geraten war und diese entwaffnet 
i6. flp*u. hatte. Der Führer des Stoßtrupps, Baron Hans von Mantenffel, beschloß 
unter diesen Umständen, den schon seit längerer Zeit erwogenen Regierungs¬ 
sturz schon am Tage nach dem Eintreffen des Stoßtrupps in Libau ins 
Werk zu setzen, die Ministerien zu besetzen und die Minister zu verhaften. 
Die überstürzte Ausführung des Planes hatte zur Folge, daß von den 
Ministern nur der Innenminister Wolters gefaßt werden konnte. Die 
übrigen brachten sich in Sicherheit. Der Ministerpräsident Ulmanis fand 
Schutz in der englischen Gesandtschaft. Der ganze Umsturz vollzog sich in 
kürzester Frist und fast ohne Blutvergießen. 
Noch weniger als der eigentliche Putsch waren seine politischen Folgen 
von seinen Urhebern durchdacht. Der Nationalausschuß stand dem Unter¬ 
nehmen in seiner Mehrheit ablehnend gegenüber. Es gelang auch 
infolge der eifrigen Gegenarbeit des bisherigen Ministerpräsidenten — nicht, 
sofort ein Koalitionsministerium zu bilden, das allein Aussicht hatte, sich 
zu behaupten. Der „Sicherheitsausschuß der Front¬ 
truppen" mußte zunächst allein die Geschäfte führen, wozu er natur¬ 
gemäß nicht in der Lage war. Oberst Ballod und Fürst Lieven verweigerten 
ihre Mitwirkung. Die Entente mischte sich ein und verlangte schleunige 
Bildung einer den tatsächlichen Stärkeverhältnissen der einzelnen Bevölke¬ 
rungsgruppen entsprechenden Regierung. Sie drohte Deutschland zum Ein-
	        
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