Volltext: Der Feldzug im Baltikum bis zur zweiten Einnahme von Riga

Jnnerbaltische Schwierigkeiten 
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Zuspitzung der Beziehungen der Balten zu der vorläufigen Regierung. 
Die politische Grundfrage, die Einstellung der vorläufigen Regierung 
zu den Deutschen im allgemeinen, kam um die Mitte des Monats April 
durch Vorgänge auf dem Gebiet der Baltenpolitik in Fluß. Sie find zu 
erklären aus den wachsenden Befürchtungen der Balten, daß fie von den 
fanatisierten Letten und den mit ihnen zusammenwirkenden Engländern 
an die Wand gedrückt werden würden. 
Als erstes Zeichen der hierdurch hervorgerufenen Unruhe war der F a l l 
Stryck anzusehen, d. H. das Erscheinen des ehemaligen livländischen 
Landesmarschalls von Stryck in Libau und seine Versuche, einen neutralen 
großbaltischen Staat zu schaffen. Da er seine abenteuerlichen Pläne äußerst 
unvorsichtig betrieb, u. ct. fich von den Letten eine Mappe mit Papieren 
abnehmen ließ, durch die verschiedene hochstehende Persönlichkeiten blo߬ 
gestellt wurden, brachte er seine Landsleute in große Verlegenheit. Dies 
führte schließlich dazu, daß der Kommandierende General, der fich allen 
Annäherungsversuchen Strycks gegenüber zurückgehalten hatte, im Interesse 
der Aufrechterhaltung von Ruhe und Ordnung einen Haftbefehl gegen 
Stryck erließ und der vorläufigen Regierung eine Sicherheitswache anbot, 
worauf diese aber verzichtete. 
Die von den Letten geplanten Verhaftungen angesehener Balten unter¬ 
blieben. Stryck konnte fich der Festnahme durch die Flucht entziehen, aber 
der offene Gegensatz zwischen den Balten und der lettischen Regierung 
blieb. Auch der Widerstreit gegen die deutsche Okkupationsmacht kam im 
Anschluß an den Fall Stryck durch Verhaftung eines im deutschen Nach¬ 
richtendienst stehenden Reserveoffiziers namens Stock erneut zum Ausdruck. 
Stock wurde trotz wiederholter Proteste nicht freigelaffen und schließlich von 
dem in Libau eingetretenen Freikorps Pfeffer auf eigene Faust mit Gewalt 
aus dem lettischen Gefängnis herausgeholt. Im Anschluß daran entwaffnete 
das Freikorps auch die im Kriegshafen liegenden lettischen Truppen, die 
zwei deutsche Soldaten verschleppt hatten. Die lettische Regierung sah fich 
damit in einem für sie kritischen Augenblick jeder wirklichen Macht beraubt. 
Von baltischer Seite hatte der „9t a t i o n a l a u 6 s ch u ß" wiederholt 
versucht, zu einem Ausgleich mit der Regierung zu kommen. Seine Be¬ 
mühungen scheiterten, obwohl die von ihm ausgestellten „14 Punkte" nur 
äußerst bescheidene Forderungen enthielten. Ulmanis erklärte, daß über die 
Forderungen der Balten erst der spätere Volksrat entscheiden tonne. 
Dieser Mißerfolg steigerte die Unruhe bei den aktivistifchen Elementen 
unter den Balten, wie fie vor allem in dem Stoßtrupp der Landeswehr
	        
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