88
Politisches Zwischenspiel
auch der Berliner Soldatenrat einzumischen suchte. Er wurde allerdings
von allen Instanzen von der Reichsregierung abwärts glatt abgewiesen.
Insbesondere trat das Oberkommando Nord allen Versuchen, dieses selbst
oder die Soldatenräte der ehemaligen 10. Armee gegen das General¬
kommando des VI. Reserve-Korps auszuspielen, nachdrücklich entgegen. Der
Chef des Generalstabes wies in einem persönlichen Schreiben am 14. März
das Generalkommando an, den Soldatenrat dauernd zu überwachen und
gegen Übergriffe entschieden vorzugehen. Das Generalkommando lehnte
denn auch den Versuch, in seinem Bereich Soldatenräte neu wählen zu
lassen, mit der Begründung ab, daß sich der Erlaß des Kriegsministeriums
vom 19. Januar 1919 nicht auf Feldtruppen beziehe. Auch dem Ultimatum
der Garnison-Bataillone gab das Generalkommando nicht statt, sondern
war entschlossen, eine etwaige Kündigung anzunehmen.
28. m<K3. Trotzdem trat der Soldatenrat am 28. März erneut durch seinen Sprecher,
den Leutnant der Landwehr Quer, an das Gouvernement heran mit der
Forderung, daß die aus der Zeit des Zusammenbruchs stammenden Richt¬
linien des Soldatenrats der 8. Armee in Geltung zu bleiben hätten. Nach
diesen sollte die Kommandogewalt von Soldatenrat und Kommando¬
behörden gemeinsam ausgeübt, Befehle nur in Übereinstimmung mit den
Vertrauensleuten ausgegeben, wichtige Befehle von diesen gegengezeichnet
und der Dienst von den Vorgesetzten und Vertrauensleuten gemeinsam fest¬
gesetzt werden.
General Graf von der Goltz hatte unter diesen Umständen, sobald die
Kämpfe bei Mitan zu einem gewissen Abschluß gekommen waren, unbedingt
zuverlässige Fronttruppen, das Detachement Schauroth und das Bataillon
Henke*) sowie die 2./1. Garde-Reserve-Feldartillerie-Regiments nach Libau
befohlen. Das Detachement Schauroth traf dort, infolge von Bahnschwierig¬
keiten, mit seinen letzten Teilen erst nach sechs Tagen, am 3. April, ein.
Die Auflehnung der Libauer Garnisontruppen.
Trotz Nichtbewilligung der Forderungen der beiden Freiwilligen-
Bataillone war es bis Ende März in Libau ruhig geblieben. Nur die Wache
auf dem Bahnhof Prekuln hatte eigenmächtig ihren Posten verlassen. Erst
s. flptit. am 3. April kam es zu dem seit langem erwarteten Ausbruch.
Zum Verständnis desselben muß vorausgeschickt werden, daß General
Graf von der Goltz sich schon seit längerer Zeit bemüht hatte, die unhalt¬
baren Zustände bei den Libauer Freiwilligeu-Bataillouen zu ändern. Zu
*) Ersatzbataillon der Eisernen Division.