Volltext: Der Feldzug im Baltikum bis zur zweiten Einnahme von Riga

Rückwirkung der Märzoffensive 
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Der LibauerSoldatenrat, von dessen Betätigung noch zu reden 
sein wird, tat das Seine, um diese Stimmung in der Heimat zu schüren. 
Über ihn sprach sich das Generalkommando in einem Bericht vom 28. März 
wie folgt aus: 
„Gegenüber der verdienstvollen Tätigkeit des Soldatenrats zu Zeiten des 
Herrn Roddemann, die im Festigen von Verbänden zu neuem Widerstand 
bestand, macht sich der Soldatenrat jetzt zum Sprachrohr der Elemente, die 
keinen Wert auf braves Kämpfen, strenge Mannszucht auch gegen die 
unglücklichen Einwohner — und Ertragen von Strapazen legen. Bei der 
so unerwünschten Welle von spartakistischen Hetzern und Leuten, die sich 
hier »gesund machen« wollen (d. h. nach Herzenslust rauben und plündern), 
wird der Soldatenrat als Beschwerde-Instanz betrachtet. Vom Stabe des 
Generalkommandos haben z. B. die Leute sich an ihn gewandt, die ge¬ 
kündigt und wegen Diebstahls und Urkundenfälschung bestraft waren." 
Auswirkungen der deutschen Erfolge auf russischer und lettischer Seite. 
Die stimmungsmäßige Auswirkung der deutschen Erfolge auf ruf¬ 
st f ch e r S e i t e ist schwer abzuschätzen. Sie kam immerhin wohl in dem 
Ausweichen der Russen gegenüber den Esten im mittleren Livland und in 
der Gegend von Pleskan zum Ausdruck. Nachrichten über die angeblich 
beabsichtigte Aufgabe Rigas erwiesen sich indessen bald als unzutreffend. 
Die räterussische Regierung und ihr lettischer Ableger waren offenbar nicht 
geneigt, ihr Spiel in den Ostseeprovinzen aufzugeben. Sie führten der kur¬ 
ländischen Front nicht unerhebliche Verstärkungen aus dem Innern zu und 
setzten durch, daß auch im April die örtlichen Angriffe an der Aa-Linie, aller¬ 
dings ohne Erfolg, weitergingen. Die Stimmung der Truppe selbst litt 
fast noch mehr als unter den militärischen Mißerfolgen unter der wirt¬ 
schaftlichen Lage, die unter anderem zu empfindlichen Kürzungen der Ver¬ 
pflegung zwang. Daß dementsprechend die Neigung, nach Hause zu gehen, 
wuchs, war selbstverständlich. 
Für die Haltung der Letten war der maßgebende Gesichtspunkt nach 
wie vor der tief eingewurzelte Deutschenhaß. Richtete sich dieser auch in 
erster Linie gegen die eingesessenen Deutschbalten, so übertrug er sich 
natürlich auch auf deren reichsdeutfche Stammesgenossen und Beschützer. 
Die Unterschiede in dieser Stimmung ergaben sich aus der sozialen Schich¬ 
tung : Die besitzlose Masse des städtischen und ländlichen Proletariats war 
rein bolschewistisch eingestellt und sah in den Deutschen in erster Linie die 
Gegner der sozialen Revolution, während die besitzenden Klassen immerhin 
die Gemeinsamkeit der Interessen der nichtproletarischen Schichten an-
	        
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