Fünftes Kapitel
Der Wendepunkt des Weltkrieges
-^urch die Veröffentlichungen der letzten dreizehn Jahre ist der 19. Juli
1917 noch deutlicher als Markstein in der Geschichte des großen Völker¬
ringens herausgearbeitet worden. Der seit jenem Tage unaufhaltsame
Zerfall der russischen Wehrmacht ließ die Westmächte von ihrem Ver¬
bündeten nichts mehr erwarten. Am 24. Juni hatte der aus Rußland
zurückgekehrte sozialistische Munitionsminister Albert Thomas, von Ribot
in die Sonderfriedensaktion des Prinzen Sixtus eingeweiht, noch gemeint,
daß vor weiteren Verhandlungen mit Österreich-Ungarn die russische Offen¬
sive abgewartet werden müsse. Im August überzeugte man sich in Paris
und in London, daß Rußland der Atem noch rascher ausgegangen sei als
der Donaumonarchie, die doch, wie der österreichische Sozialdemokrat Adler
in Stockholm zu Thomas gesagt hatte, „äbout de souffle“ war. In einer
militärischen Konferenz Petainö und Fochs mit Robertson, Cadorna und
dem Amerikaner Pershing war am 26. Juli noch erwogen worden, wie
sich England der Marine, Frankreich der Armee und die Vereinigten Staaten
des zerrütteten Transportwesens Rußlands annehmen könnten. In einer
Sitzung des britischen Kriegskabinetts am 7. September schwankte man,
ob man Rußland überhaupt noch weiter unterstützen solle. Schon am
23. August war sich Lloyd George nach dem Zeugnis Feldmarschall Wilsons
ganz klar darüber, daß Rußland abgetan und Amerika noch weit weg sei.
Da außer der russischen Bürde die Erschütterung des französischen
Heeres durch das Mißlingen der Offensive Nivelles, die andauernde D-Boot-
Bedrängnis und eine Finanzkrisis schwer auf die Westmächte drückten, wäre
die Lage für sie eine verzweifelte gewesen, wenn nicht derselbe 19. Juli
durch die Friedensresolution des Deutschen Reichstages der Welt offenbart
hätte, daß die deutsche Einheitsfront von 1914 unheilbar zerstört war.
Am 20. Mai hatte House dem Präsidenten Wilson geraten, den deutschen
Liberalismus gegen die kaiserliche Regierung aufzustacheln. Den deutschen
Militarismus wünschte er aus dem Spiele zu lassen, weil sonst der fran¬
zösische Militarismus dagegen ausgespielt werden könnte. Um so mehr
empfahl es sich, die deutsche Demokratie zu ermutigen, nachdem der Sturz
des verbündeten Zarismus die Bahn zu demokratischer Propaganda ge¬