56 Drittes Kapitel
Opfer zu haben sei, und so könnte er ihm 1917 wohl eine Abschrift
eingehändigt haben.
Czernins Hoffnung auf ein Friedensgespräch mit einem westmächtlichen
Diplomaten hatte im März ihren Ausdruck in der Entsendung des Grafen
MenSdorff nach der Schweiz gefunden. Rach der zweiten Wiener Reise
des Prinzen Sixtus im Mai wäre die Aufstellung eines HorchpostenS an
der französischen Grenze verfrüht gewesen. Wenn er trotzdem zu dem
stärksten Druckmittel seiner Friedensoffensive griff, so haben ihn dazu die
vorausgegangenen Verhandlungen über den Ostfrieden bestimmt. Wie
Czernin diesmal an den Reichskanzler herantrat, erfahren wir unmittel¬
barer als aus Bethmann Hollwegs „Betrachtungen" aus seinem Bericht
an Kaiser Wilhelm II. vom 14. Mai 1917 über die Wiener Besprechungen
vom 13. Mai, der schon 1922 in den Münchener Neuesten Nachrichten ab¬
gedruckt, immer wieder in Erinnerung gebracht zu werden verdient. „Eng¬
land, Frankreich und Italien — lautete die Meldung — haben Österreich-
Ungarn ein Angebot zu einem Sonderfrieden gegen Abtretung von Trento
und einer oder der anderen Insel an Italien gemacht. Österreich-Ungarn
würde uns durch den Abschluß eines solchen Friedens nicht schädigen; denn
die an der italienischen Front freiwerdenden österreichischen Truppen könnten
den Schutz unserer Ostfront so übernehmen, daß wir unsere eigenen öst¬
lichen Truppen an die Westfront werfen könnten. Auch würde die Blockade
in der Adria aufhören. Österreich-Ungarn könnte über die Adria Lebens¬
mittel hereinbekommen und davon nach Bedarf an uns abgeben. Allerdings
müßten aus Rußland kommende Waren*) mit Ausnahme von Truppes)
und Kriegsmaterial durch Österreich nach der Schweiz transportiert werden
dürfen."
Der Reichskanzler nennt das Angebot unklar. Daß die Unklarheit ledig¬
lich auf Rechnung des Erfinders des Angebotes zu setzen war, hat er nicht
erkannt, obwohl er an die Vereinbarkeit der territorialen Aspirationen
Italiens mit dem Standpunkte Kaiser Karls nicht glaubte. „Graf Czernin
— fährt seine Meldung fort — hat geantwortet, er nähme von dem Angebot
Akt und werde nach Rücksprache mit seinen Verbündeten Antwort erteilen,
worauf ihm erwidert worden ist, daß diese Rücksprache als selbstverständlich
erachtet werde und daß man nur an einen legitimen Sonderfrieden denke".
Ohne hierzu Stellung zu nehmen, begnügte sich Bethmann Hollweg, sowohl
Kaiser Karl als auch Czernin zu sagen, „entweder wolle die Entente unter
dem Druck des I7-Boot-Krieges, des Mißlingens der westlichen Offensive
Sic!