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Zweites Kapitel
deö Prinzen Abbe TraverS bestellt. Man entnimmt ihr, wie verzweifelt
das Thronfolgerpaar die Lage der Monarchie ansah, wenn sich zu ihren
russischen und serbischen Bedrängern auch noch Italien und Rumänien
gesellten. Der Gedanke einer Sondersriedensaktion taucht darin zum
erstenmal in der Form auf, daß der Prinz, weil er selbst nicht als Mittler
für den Erben Franz Josephs auftreten kann, dem Papste nahelegt, Eng¬
land und Frankreich für die Erhaltung Österreich-Ungarns zu gewinnen
und durch den Druck der Westmächte aus Rußland einen Sonderfrieden
mit der Monarchie zu vermitteln. Nach Amiguet hat der Papst darauf am
20. Januar 1915 antworten lassen, daß er eine derartige Aktion für unzeit¬
gemäß hielte, den Prinzen aber gern empfangen würde.
Die Behauptung AmiguetS, daß Sixtus sich über seine Audienz vom
25. März 1915 ausgeschwiegen habe, übersieht, vielleicht nicht unabsichtlich,
die Erzählung des Prinzen, daß Benedikt XV. damals geraten habe, die
Kriegserklärung Italiens an die Monarchie durch territoriale Opfer zu ver¬
hüten. Amiguet will im Bourbonischen Hausarchiv nur die von ihm abge¬
druckte Aufzeichnung gefunden haben, in der Sixtus sich vor der Audienz
zurechtlegt, was er dem Papst über die katholische Interessengemeinschaft
Belgiens, Frankreichs und Österreichs sagen wollte.
Das Schweigen des Biographen über die französische Vorbereitung der
Sondersriedensaktion des Prinzen beweist, daß er ebenso wie der Rückblick
seines Helden von 1932 die Tendenz verfolgt, dem Scheitern des Rettungs¬
versuches das 1917 an der leitenden Stelle des Quai d'Orsay nicht begriffene
Lebenöinteresse Frankreichs an dem Fortbestände der Monarchie gegenüber¬
zustellen. Die einzige Vermehrung unseres Wissens ist Amiguets Hinweis
auf einen mir nicht zugänglichen Artikel des Prinzen „De vrai danger
autricliien“ im „Correspondant“ vom 10. Januar 1916, worin Sixtus
durch das Drohgespenst einer deutsch-österreichischen Zollunion für die
Lösung Österreichs aus der deutschen Umklammerung Stimmung zu machen
suchte. Für die Verquickung bourbonischer und französischer Motive in der
Politik des Prinzen ist sein Buch von 1920 auch heute noch die einzige zu
kritischen Klärungsversuchen herausfordernde Quelle.
Über die entsprechende Verquickung habsburgisch-lothringischer und
bourbonischer Motive in der Politik Kaiser Karls können wir heute schon
zu einem abschließenden Urteil gelangen, wenn wir die von Polzer-Hoditz
gezogene Verbindungslinie zwischen 1914 und 1917 nach rückwärts ver¬
längern. Die Anklagen gegen Bismarck in dem erwähnten Briefe des
Kaisers an Czernin vom 14. Mai 1917 könnte auch ein Menschenalter