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Zweites Kapitel
überhaupt sein könnte". 1919 wagte er noch nicht offen zu sagen, daß hier
ein Fall vorlag, wo der Abfall gerechtfertigt war, wenn die Rettung deS
eigenen Staates nur dadurch zu erreichen war. Ein Kampfmittel, das von
dem deutschen Reichskanzler und der Mehrzahl seiner Mitarbeiter für
lebensgefährlich gehalten und auch in Wien nur von den militärischen
Beratern der Krone, Großadmiral Haus und General Conrad, empfohlen
wurde, hätte er sich nicht aufzwingen lassen dürfen, wenn er nicht die
todesmutige Entschlossenheit aufbrachte, die es von allen Beteiligten an
dem schweren Entschluß des vollen Einsatzes der II-Boot-Waffe verlangte.
Die nebensächliche Behandlung der aus der Kriegslage des Januar 1917
entstandenen brüchigen Stelle des Zweibundes in dem Rückblick des Prinzen
Sixtus wird durch den wahren Ursprung seiner Aktion erklärt. Durch den
Biographen des 1934 gestorbenen Prinzen, Amiguet, den Kabinettschef
Kaiser Karls Graf Polzer-Hoditz und den letzten Sekretär des Kaisers,
Baron Werkmann, sind wir jetzt darüber noch genauer als 1925 unter¬
richtet. Aus dem inDeutschland ganz unbeachtet gebliebenen Buche Amiguets
können in unserem Überblick nur die Mitteilungen aus den Bourbonischen
Papieren besprochen werden, die kein künftiger Bearbeiter dieses Kapitels
der politischen Geschichte des Weltkrieges übersehen darf. Dazu gehören
in erster Linie die Auszüge aus dem Tagebuch des Prinzen Xaver vom
22. Juli 1914 bis zum 20. Dezember 1915. Als die Brüder am 25. Juli
auf der Reise nach Wien über die Kehler Rheinbrücke fahren, stellen sie
überrascht fest, daß in Deutschland die Mobilmachung bereits in vollem
Gange ist! Der Tagebuchschreiber bemerkt nicht, daß er durch Verlegung
der Grenze an den Rhein auch Elsaß-Lothringen 1914 zu dem friedlichen
Frankreich rechnet, das sie soeben verlassen haben. Während sich Xaver
vom 28. Juli bis 1. August in München bei seiner Tante, der Herzogin
Karl Theodor, aufhält, gelingt es Sixtus, noch am gleichen Tage Wien
zu erreichen, wo er dem nicht minder überraschten französischen Botschafter
Dumaine ihre sofort nach Paris chiffriert weitergegebenen Beobachtungen
über die deutsche Mobilmachung mitteilt. Prinz Sixtus hatte sich besser
auf das Retuschieren verstanden. Sein Bruder liefert schon auf der ersten
Seite seiner Aufzeichnungen den unumstößlichen Beweis, daß die durch
den Krieg verhinderte Kaukasusreise den wahren Zweck ihrer am 23. Juli
angetretenen Reise nur verhüllen sollte. Damit soll keineswegs bestritten
werden, daß die Bourbonischen Brüder ursprünglich eine längere Orient¬
reise geplant hatten. Ihre Ausdehnung bis zum Fuße des Himalaya setzte
Vorbereitungen voraus, die lange vor dem Attentat von Sarajevo einge-