Volltext: Die politischen Kämpfe um den Frieden (1916 - 1918) und das Deutschtum

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Erstes Kapitel 
angebotes unterbreitete, und können nicht einmal vermuten, wie der Außen¬ 
minister Österreich-Ungarns sich damals das Verhältnis der beiden Kund¬ 
gebungen zueinander gedacht hat. Nach Muret sei der deutsche Reichskanzler 
anfangs dafür gewesen, die Erklärung und das Angebot gleichzeitig in die 
Welt hinausgehen zu lassen. Das müßte bei der mündlichen Verhandlung 
des Unterstaatssekretärs v. Stumm mit Burian am 29. Oktober zur Sprache 
gekommen sein. Am i. November telegraphierte aber Wilhelm II. an seinen 
Verbündeten: „Der Gefahr, daß unser Angebot als ein Zeichen der Schwäche 
angesehen werden kann, sind wir meines Erachtens um so weniger aus¬ 
gesetzt, wenn wir vorher die Proklamation für Polen erlassen und der 
Welt damit zeigen, daß wir uns als Sieger betrachten. Eine gewisse Frist 
wird zwischen Proklamation und Angebot allerdings verstreichen müssen." 
Danach scheint Burian am 29. Oktober nur eine Frist zwischen Proklamation 
und Angebot verlangt zu haben, während die Anregung, die Proklamation 
vorher zu erlassen, von deutscher Seite ausging. Das Kompromiß, von 
dem Muret Franz Joseph in seiner Antwort vom 5. November sprechen 
läßt, könnte also nur darin bestanden haben, daß die Autonomieerklärung 
noch an dem gleichen Tage erlassen wurde. 
Ihre Wirkung ist bekannt. Am 14. November antwortete das zaristische 
Rußland mit der Erklärung, daß es das wiederhergestellte Polen einschlie߬ 
lich der polnischen Gebietsteile der beiden anderen Teilungsmächte von 
1772 sich anzugliedem gedenke. Am 16. und 17. November schlossen sich 
England, Frankreich und Italien dieser Erklärung an. Bevor die frontal 
gedachte Friedensoffensive des Vierbundes eröffnet wurde, verbaute sich 
der Zweibund jede Möglichkeit, zu einem Friedensgespräch mit Rußland 
zu kommen. Der Historiker aber steht vor der noch unbeantworteten Frage, 
ob die Kurzsichtigkeit in Wien die gleiche wie in Berlin gewesen ist oder 
ob man in Wien ein Nachher dem Vorher vorgezogen hätte und nur nach¬ 
gegeben hat, um das Friedensangebot zustande zu bringen. 
Die Nachgiebigkeit BurianS in der Frage der Form des Friedensangebotes 
war schon aus den deutschen Akten bekannt. Auch der Gedankenaustausch 
beider Regierungen über das Maximum und Minimum der Friedensbedin¬ 
gungen stellt sich in den Wiener Akten von keiner neuen Seite dar. Eine 
willkommene Ergänzung enthalten lediglich Murets Mitteilungen über 
Burians Verhandlungen mit Bulgarien und der Türkei, die ihre Friedens¬ 
bedingungen nach dem 12. Dezember eingereicht haben. 
Am 27. November hatte Bethmann Hollweg an Hindenburg geschrieben: 
„Ich lasse dahingestellt, ob unsere Lage bei Friedensverhandlungen, die
	        
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