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Siebentes Kapitel
tigung durch Frankreich und England sich auf eine Zusammenkunft mit
von der Lancken nicht einlassen könne.
Der gebotenen Vorsicht war durch Ablehnung einer Zusammenkunft
Broquevilles mit Lancken Genüge geschehen, aber der Wunsch des belgi¬
schen Ministers, eine Verständigung zwischen Frankreich und Deutschland
zu vermitteln, konnte nicht in Erfüllung gehen, wenn er den deutschen
Fühler nicht benutzte. In seiner Ratlosigkeit wandte er sich zunächst wieder,
wie im Herbst 1914, an den Papst. Von La Panne reifte Coppee nach Rom,
wo er im Vatikan durch den belgischen Gesandten eingeführt und zwischen
dem 15. und 20. Februar von Benedikt XV. in dreiviertelstündiger Audienz
empfangen wurde. Die Erkundigung Aversaö ist früher erfolgt, kann also
keine Folge der Audienz gewesen sein. In Würdigung der Lage Belgiens
ermutigte der Papst Broqueville zu einer aktiven Friedenspolitik und ließ
durchblicken, daß er beabsichtige, durch eine Friedensaktion die Verhand¬
lungen zu erleichtem.
Zu einer aktiven belgischen Friedenspolitik wäre es jedoch auch jetzt
nicht gekommen, wenn nicht eine belgische Patriotin sich als Pfadsinderin
eingeschaltet hätte. Ende März erbot sich Gräfin Merode, geborene La
Rochefoucault, zur Vermittlung einer Besprechung Lanckens mit einem
französischen inaktiven Staatsmann. Als sie sich mit Lancken auf Ribots
Vorgänger Briand einigte, wußten weder sie noch der deutsche Diplomat,
daß unter Briands Ministerpräsidentschaft Doumergue in Petersburg mit
dem Zaren kurz vor dessen Sturz jene Vereinbarungen getroffen hatte, die
Rußland freie Hand zur Bestimmung seiner westlichen Grenzen ließen,
während Frankreich Elsaß-Lothringen in den Grenzen von 1789 einschlie߬
lich des Saargebieteö und die Abtrennung des linken Rheinufers von
Deutschland zugesichert wurde. Wenn auch die russische Revolution jene
hinter dem Rücken Englands getroffene Vereinbarung in einen Fetzen
Papier verwandelt hatte, so würde doch Lancken Briand vermutlich abge¬
lehnt haben, wenn er gewußt hätte, daß dessen Kriegsziel der Rhein als
strategische Grenze gegen Deutschland war.
Gräfin Merode ist zwar im April 1917 durch die Schweiz nach Paris
gefahren, hielt aber offenbar selbst in dem Monat des französisch-eng¬
lischen Großangriffs den Augenblick zu einer Annäherung an Briand noch
nicht für gekommen. Als von der Lancken anfangs April sich in Berlin
die Ermächtigung zu weiteren Schritten holen wollte, traf er nur Helf-
ferich an, der dem zur Kaiserbegegnung nach Homburg gereisten Reichs¬
kanzler empfehlen wollte, Lanckens Meldung gegen Czernin auszuspielen.