Volltext: Alpenkrieg

Um den Col di Lana 
i 
Die Dolomiten! 
Gott ließ hier ein Wunder aus seinen Meeren stei¬ 
gen. Jahrmillionen lebten und starben Muscheltiere in 
diesen Meeren, sanken leblos als ein ununterbrochener 
Regen hinunter in dunkle Tiefen, häuften sich, wurden 
Masse, wurden Stein. Und Nacht war immer um sie, 
Jahrmillionen lang. 
Bis dann eines ungeheuren Tages der alte Leib der 
Erde sich streckte zu neuem Gebären und hinaufdrückte, 
was unten war, und hinunterriß, was das sengende Licht 
der Sonne gesehen hatte. Da entstand am Rand des 
dampfenden Meeres ein neuer Wall festen Bodens: 
Kalkgipfel, Massen jungen Gesteins, den ewigen Was¬ 
sern entboren. 
Stürme und Frost, glühende Hitze, stürzender Regen 
und nagende Bäche rissen tiefe Schluchten und schmale 
Täler in den neuen Gebirgszug. Er alterte rascher als 
das harte Urgestein der Zentralalpen, er wurde rissig, 
zackig, ragte in Nadeln und senkrechten Wänden auf 
zum ewigen Firmament. Und nach weiteren Aeonen um¬ 
fing das Menschenauge diesen Schauplatz der Zer¬ 
störung, dieses stumme Gedicht der Vergänglichkeit und 
— fand es schön, schöner als die üppigen Ebenen, die 
Nahrung und Wärme boten. Wie klein der Mensch gegen 
diese himmelanragende Größe! Wie nichtig seine Kraft 
gegen die Urgewalt der Natur, die diese Gipfel schuf! 
Wie fromm, sich im Spiegel dieser Welt zu schauen! 
Die armen Hirten, die in grauen Zeiten hier lebten, 
erschauerten vor der unerbittlichen Grausamkeit ihrer 
Welt. Böse Geister schlummerten in den Schrunden und 
auf den Felszachen, immer bereit, zu erwachen und die 
Kreatur in der Tiefe ihren Haß und ihre Bosheit fühlen 
zu lassen. Selbst als der Gekreuzigte in diesen Tälern 
seinen Einzug hielt, war er nur ein starker Helfer ge¬ 
gen den finsteren Spuk, der Blitz und Donner, Lawine 
und Sturm mit verheerender Gewalt rasen ließ, wie es 
den Dämonen droben gefiel. Sein Symbol wurde höher 
4 
49
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.