Volltext: Alpenkrieg

3. 
Als der Abend einfällt und die Sonnenstrahlen nur 
mehr die höheren Berge vergolden, donnern die ersten 
Schüsse auf der Hochfläche von Lavarone. Werk Verle 
feuert auf eine Gruppe von Leuten, die die Grenze über¬ 
schritten haben und am österreichischen Mandriol einen 
Graben auszuheben versuchen. Zwei Schrapnel lagen ge¬ 
nügen, um die Italiener zur Flucht zu veranlassen. Und 
droben, auf dem sonnbeschienenen Hang liegen die bei¬ 
den ersten Opfer . . . 
Die Antwort läßt nicht lange auf sich warten. Zwei 
schwere Granaten aus italienischen Rohren schlagen in 
den Wald auf dem Marcairücken ein. Mächtig stehen 
die beiden Rauchtürme vor dem Abendhimmel, zer¬ 
fließen langsam im blässer werdenden Blau. 
An allen Scharten der Panzerstände, der Stützpunkte 
drängen sich Männer und starren dieses Schauspiel an. 
Wird es nun losgehen? Werden plötzlich Tausende aus 
den Wäldern quellen und das Gelände mit wimmelndem 
Leben und hundertfachem Sterben füllen? 
Die Telephone spielen. Cima di Vezzena, Lusern, 
Gschwendt, die Beobachter auf dem vorgeschobenen 
Stützpunkt Basson — sie alle melden, daß weit und 
breit kein Feind zu sehen ist. In den Werken nimmt 
das gewohnte Dasein seinen Gang, nur die Bedienungen 
der Haubitzbatterien haben strenge Bereitschaft. 
Altvertraute Landschaft und doch so furchtbar ver¬ 
ändert! Dunkel stehen die Wälder, Nebelschwaden er¬ 
heben sich aus den wasserdurchrauschten Mulden beider¬ 
seits des Assatales, aus den Urwäldern der Brusolada, 
des Rio Torto und Val morte. Die Nacht fällt ein. 
Die erste Kriegsnacht entlang der ungeheuren Front 
zwischen der Schweizer Grenze und dem Meere am 
blauen Golf von Panzano, an dieser Front, die nur aus 
Lücken besteht, aus Erwartung und Sorge. Was wird 
morgen sein? In den Wäldern und Tälern, auf den Hoch¬ 
flächen und Bergspitzen, überall lauert das Verhäng¬ 
nis, das in den letzten Wochen mit Riesenschritten näher 
kam und an das doch niemand diesseits der Grenze 
glauben wollte. 
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