Volltext: Alpenkrieg

geschaffen. Zwei Welten, zwei Völker schauen in diesen 
sechzig Männern einander in die harten Augen. Heute 
vielleicht, morgen, übermorgen werden sie sich über 
Korn und Kimme wiedersehen . . . 
Weiter oben arbeiten italienische Sappeure an einem 
Schützengraben. Sie blicken ängstlich um sich, ob auch 
der Alpinioffizier mit seinen Leuten verschwunden ist, 
werfen dann ihre Schaufeln weg, kommen näher. „Der 
Teufel, wann fangt ihr denn endlich an, daß diese 
Schinderei zu Ende ist?“ fragen sie. „Für die paar 
Centesimi und den dreckigen Fraß soll man den gan¬ 
zen Tag schuften. In Wien war's besser, als man noch 
für die Stadtbahn Steine behaute. Habt doch die Rus¬ 
sen aus dem Fell gewickelt, wir wissen das. Wir sind 
nicht so dumm, zu glauben, was unsere Zeitungen uns 
vorschwätzen. Oesterreich schlägt uns die Knochen 
krumm, und wenn erst gar die Deutschen kommen, 
ist es ganz aus. Der Satan hol' die Salandra und Son- 
ninol Wenn sie Krieg haben wollen, mögen sie selbst 
auf diesen lausigen Berg da steigen und ihre Schützen¬ 
gräben bauen. Na, wir werden uns keine Haare aus¬ 
raufen wegen diesen Eseln, die sich da heiser schreien I 
A rivederla!“ 
Der Fähnrich geht mit seiner Patrouille ins Werk 
zurück. Als er den Drahtverhau erreicht, winken die 
Standschützen: Alarm 1 Krieg istl 
Krieg . . . 
So oft hat man das Wort gehört, aber jetzt steht 
es neu, fremd, furchtbar in seiner Wirklichkeit vor dem 
inneren Blick: Kriegt Und vor einer Stunde noch sprach 
man mit dem Feind. 
Haben die Alpin! auch noch nichts gewußt? Oder 
verstellten sie sich bloß, um die verhaßten Austriaci 
vielleicht in einen Hinterhalt zu locken? 
Der Fähnrich blickt nach dem Waldrand hinüber. 
Dort ist niemand mehr. Die Leute, die an der Frei¬ 
legung des Vorfeldes arbeiteten, sind eingezogen worden, 
der gleichmäßige Schlag der Aexte ist verstummt. Schwarz 
und schweigsam steht der Wald. An seinem Rand lie¬ 
gen gefällte Bäume, mit den Aesten noch, wirr durch¬ 
einander wie Gefallene . . . 
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