Dann wird die Luft wärmer und wärmer, Früh¬
lingsstürme heulen um den Kleinen Lagazuoi, Schmelz¬
wasser trieft von seinen Wänden und die letzten La¬
winen dieses entsetzlichen Winters donnern zu Tal.
Wieder ist am Isonzo eine Schlacht im Gang, die zehnte
nun, und es hat den Anschein, als sollte sie Entschei¬
dung bringen über das Schicksal des ganzen Feldzuges,
ja eines alten Reiches überhaupt.
Die Leute auf und in dem Felskoloß stört das alles
nicht. Sie arbeiten mit Feuereifer an ihrem Zerstörungs¬
werk, jeder ihrer Gedanken kreist um das Felsband,
auf dem die Alpin! sitzen, und das nun bald seine
Höllenfahrt antreten wird. Diesmal kann es nicht mi߬
lingen. Der Feind weiß vielleicht, ja wahrscheinlich um
die Gefahr, die ihm droht; er mag sich auf die Stärke
seiner Bauten und die natürliche Widerstandskraft der
beiden Felsnadeln verlassen, auf den „Strebestein“ und
den „tätowierten Stein“, die kreuz und quer kaverniert
sind und etwa 30 Meter hoch aufragen. Wer könnte
solchen Riesen an?
Und doch, warum nicht? Zweihundert Meter über
dem Band liegt die Sprengkammer. Wenn diese zwei¬
hundert Meter Felsen in einer Stärke von nur zehn
Meter abstürzen, müssen vielleicht auch die Türme auf
dem Band ihren Jahrhunderttausende alten Platz ver¬
lassen . . .
Aber noch bedarf es einer höllischen Arbeit, bis
es so weit ist: Das Laden der Sprengkammer. Die
Scharte westlich des Gipfels, über die alles geschafft
werden muß, liegt etwa 2550 Meter hoch, der Aufstieg
ist vereist, die kurze Abstiegstrecke auf dem feind-
wärtigen Hang ständig von italienischen Scheinwerfern
beleuchtet und den Geschützen des Monte Averau ein
willkommenes, altgewohntes Ziel. Ueber diese Scharte
müssen mehr als 1000 Kisten hochexplosiver Stoffe ge¬
tragen werden.
In sechs Nächten ist auch das bewältigt Die Wand
des Kleinen Lagazuoi birgt 24.000 Kilogramm Spreng¬
mittel, Zündleitungen sind gelegt, eine Verdämmung von
fast 40 Meter Länge soll den Stoß gegen die eigene