Volltext: Alpenkrieg

Dort sitzen nur zwei Züge des polnisch-ruthenischen 
Feldjägerbataillons Nr. 30, dessen schneidigem Angriff 
es gelungen war, wenigstens den Mittelteil des lang¬ 
gestreckten Pal-Rückens zu behaupten. Links und rechts 
von ihnen steht der Feind auf den beiden Pal-Gipfeln, 
ihre Lage ist nicht beneidenswert. Am unheimlichsten 
aber ist die Tatsache, daß die Italiener vom Promos 
und dem Cellonkofel aus jede Bewegung im Angerbach- 
und Valentintal wahrnehmen und stören können, indes 
die Vorgänge hinter ihrer eigenen Linie gänzlich un¬ 
beobachtet bleiben müssen. Wenn sie nun da oder dort 
Kräfte ansammeln und vorstoßen, bedeutet das für den 
Verteidiger immer eine peinliche Ueberraschung, deren 
Folgen er sich nur mühsam entziehen kann. 
Ein solcher überraschender Stoß setzt um das Mor¬ 
gengrauen des 6. Juni gegen den Freikofel ein. Von 
drei Seiten her wimmelt es plötzlich rings um die Fels¬ 
kuppe, wirft sich auf das winzige Häuflein der Verteidi¬ 
ger. Noch ist kein Schußlicht, Nebelschwaden lassen den 
grellen Schein der Leuchtpatronen zu einem unsicheren, 
milchigen Schimmer verblassen. Aber der Feind ist dal 
Man hört ihn, obwohl er diesmal lautlos vorzurücken 
entschlossen ist, man hört ihn an der hundertfachen 
Bewegung im Vorfeld. 
Die Gewehre beginnen zu knallen, zwei Maschinen¬ 
gewehre streuen das Vorfeld ab. Ihre Wirkung ist ge¬ 
ring. Das Gelände bietet soviel Deckung, ist so aus¬ 
gedehnt, daß der Großteil der Angreifer ohne Ver¬ 
luste vorwärtskommt. Dieser Umstand entschied in der 
ersten Zeit des Krieges meistens über das Verhalten 
der Italiener: Sie waren gegen Verluste sehr empfind¬ 
lich, rannten aber unbekümmert dort an, wo der Tod 
nicht schon im Vorgehen unter ihnen hauste, einerlei, 
ob sie am Ziel nun erst recht Haare lassen mußten 
oder nicht. 
Diesmal entscheidet die zahlenmäßige Uebermacht: 
Sie sind plötzlich mitten unter den Verteidigern, sie 
haben die Felskuppe von drei Seiten her erstiegen und 
sehen sich nun einer unwahrscheinlich kleinen Schar 
gegenüber, die im Nahschuß, mit Handgranate und Ge¬ 
wehrkolben sich zu wehren sucht. 
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