Volltext: Alpenkrieg

her auf gebracht werden, ob nun Winter oder Sommer 
ist Im Travenanzes schon scheint die Hölle los zu 
sein; wie es in der Fontana negra ist, spottet jeder 
Beschreibung. 
Wenn die Nacht kommt, erwacht das Leben im Kar. 
Träger versuchen, sich durch den Schnee einen Weg zu 
bahnen; werfen sich vor den tastenden Lichtfingem der 
Scheinwerfer nieder, erheben sich wieder, keuchen weiter. 
Dann die gefürchtete Felsstufe. Ueber vereiste Lei¬ 
tern geht es hinunter oder hinauf, mit klammen Fin¬ 
gern, den Sturz in die gähnende Tiefe immer vor Augen. 
Manchmal bleibt einer erschöpft liegen, kann nicht ge¬ 
rettet werden, ist dem weißen Tod unentrinnbar ver¬ 
fallen. Manchmal läßt sich eine ganze Kolonne erschöpft 
zur Rast nieder, um in die Ewigkeit hinüberzuschlafen. 
Das Grauenvollste aber sind die Lawinen. Da don¬ 
nert der Bergkessel, als ob die Wände einbrächen, da 
stürzen zehntausende Kubikmeter Schnee in wenigen 
Sekunden niederwärts, erreichen aufstäubend das Kar, 
begraben Stellungen, Unterstände, Kavernen unter ihrer 
Last. Aber der Mensch gräbt sich wieder ins Freie. Er 
tilgt die Feuerreste in den Oefen aus, um nicht zu er¬ 
sticken, greift zur Schaufel, arbeitet unverdrossen, steigt 
ans Licht. Denn der Mensch ist das Wesen, das sich 
an alles gewöhnt. 
Er ist aber auch von einer Grausamkeit wie kein 
zweites Geschöpf. Wenn Raubtiere zahm werden, weil 
der Hunger sie plagt, wenn das scheueste Wild seine 
Scheu überwindet, weil es der Kälte nicht mehr wider¬ 
stehen kann — da sucht der Mensch die Schrecken der 
Natur zu vermehren, um seinem Feind eine höllische 
Himmelfahrt zu bereiten: Wollen die Wände keine La¬ 
winen mehr ins Tal stürzen, so feuert er seine Brisanz¬ 
granaten hinauf, bis der weiße Tod auf donnernden 
Massen niederfährt und alles erstickt, was ihm in die 
Fänge kommt. 
Sieben Monate dauert die strenge Zeit des Berg¬ 
winters. Sieben Monate sind angefüllt mit Arbeit um 
das nackte Leben, mit Elend, Entbehrung und Not. 
Wenn auf anderen Kriegsschauplätzen die Frühjahrs¬ 
schlachten brüllen, brüllt hier die Lawine ihren uner- 
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