Volltext: Alpenkrieg

Krepti 
Im Frühling 1915. 
Alle Toten war 
Ueber Gräbern 
Daß sie vollen« 
rufst du ins Land. 
Jeglicher Baum ist gedüngt mit dem Tun 
derer, die unter den Wurzeln ruhn; 
denen der Schnitter die Ernte zerschlug, 
ehe sie trug. 
Josef Wein heb er 
1. 
Lautlos schwebt ein großer, dunkler Raubvogel im 
blaßgrünen Morgenhimmel, und es ist, als lösche sein 
Flügelschlag das letzte Flimmern dar Gestirne aus. 
Tief unten dampft der Atem der Erde — er achtet 
es nicht. Felszacken, wuchtige Finger aus hartem Ge¬ 
stein greifen nach ihm — er überwindet sie in mächtiger 
Kehre. Gipfel ragen, Eiswüsten drohen — was sind 
sie ihm? Stark und sicher tragen ihn seine Schwingen. 
Er ist allem entrückt was atmet und hofft und glaubt 
und fürchtet. Selbst im pfeifenden Niedersturz nach 
seinem Opfer noch zielt Auge und Fang mit unerbitt¬ 
licher Sicherheit. Er ist wie das Schicksal . . . 
Da und dort hängt rosiges Gewölk im Unendlichen — 
erster Widerschein des Lichts, erste Verheißung des jun¬ 
gen Tages. Heller wird der Himmel, sanftes, sammtenes 
Blau friedlich ausgespannt, und die Bergspitzen glühen 
aller Lichttrunkenheit übervoll. Firnschnee, eben noch 
bleich und wächsern wie die Stirn eines Toten, ergießt 
sich als flüssiges Gold in das Schattendunkel der Hoch¬ 
wälder. Wasser blinken auf und zeichnen ihr silbernes 
Geäder ins graue Antlitz der Erde. 
Ein Vogelschrei gellt schneidend durch die Stille. 
Die Augen der Kreatur tief unten im Erdgebundenen 
suchen ängstlich nach dem Einsamen, der wie das Schick¬ 
sal seine Kreise zieht. Fällt jetzt der Schatten seiner 
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