Volltext: Ober-Oesterreich

Waldblöfie hinauf, wenn sie von dort Erd- und Himbeeren und die heilkräftige Arnikablüte holen, 
was dabei die Augen schauen und die Herzen gewinnen, ruft in diesen einfachen Menschlein die 
Freude am Schönen wach, die tief und fest sich einwurzelnd, oft seltsamen Seelenkeimen zum Er¬ 
blühen verhilft. 
Ergreifend für jeden deutschen Besucher des Mühlviertels ist der Gedanke, daß er auf alt¬ 
germanischer Erde wandelt, wo einst der Urwald stand. 
Die Römer nannten das Bergland jenseits der Donau die „Stirne Germaniens". Bei ihrer 
geringen Kenntnis dieses Wildlandes nahmen die ältesten römischen Geschichtsschreiber an, die 
waldigen Gebirgszüge vom Rheinwinkel bis zu den Ausläufern der Karpathen seien ein einziges 
zusammenhängendes Gebirge und gaben diesem wie Cäsar den Namen „Hercynischer Wald". 
Tacitus und Plinius bezeichneten nur einzelne Strecken davon mit demselben Namen. In späteren 
Geschichtswerken wird die Bezeichnung „Silva hercynia" für die böhmischen Gebirge gebraucht 
und der Böhmerwald mit seinen Ausläufern, die stufenförmig bis zum Strombett der Donau abfallen, 
hieß durch Jahrhunderte „Nordwald". 
So oft die ländergierigen Römer es wagten, tiefer in den Nordwald einzudringen, wehrte 
sie der riesenhafte Recke mit den baumstarken Armen und seinem steinharten, mit dem Boden ver¬ 
wachsenen Leib wieder ab; dafür ist er aber auch der treugeliebte, fast göttlich verehrte Beherrscher 
der altgermanischen Heimat geblieben. 
Der Hochwald ist heute noch unser König, der die schönste Krone trägt auf Erden, die ewig 
leuchtende Krone aus Sonnengold. Sicher ist, wenn der germanische Wald je geschlagen worden 
wäre, im doppelten Sinne gemeint, daß es auch kein germanisches Volk mehr gäbe, kein Volk mit 
dem unauslöschlichen Merkmal seiner Waldgeburt. 
Der germanische Wanderstrom, von Asien her, war in den Urwäldern Nordeuropas zum 
Stauen und Stehen gekommen. Im Jahre 7 v. Chr. langte der Stamm der Markomannen im Nord¬ 
walde an und in einem heilig schönen Augenblick sprach ihr Führer: „Hier laßt uns unsere Hütten 
bauen!" Die keltischen Bojer, die bis dahin hier ansässig gewesen waren, wichen vor den stärkeren 
Eindringlingen zurück und zogen zu ihren Brüderstämmen west- und südwärts. 
Der Nordwald erwies sich den Markomannen als kulturfreundliches Landgebiet, das die 
schöpferischen Kräfte seines Volkes zu wecken vermochte und ein Geschlecht großzog, das, angeeifert 
durch das segensvolle Walten der Natur, mit Arbeitslust, Lichtsehnsucht, Heldenmut und Volkstreue 
sich eine durchseelte Heimat schuf. Im Bunde mit dem Urwald wiesen seine starken Söhne die 
vielen Anstürme der Römer zurück, so daß die Kriegslist der willensschwächeren Südländer abprallte 
an der hohen Stirne Germaniens. 
Während südlich von der Donau die keltischen Noriker von der Oberhoheit der Römer 
erdrückt wurden, fühlten sich die freien Markomannen in ihren Hochwäldern als unbesiegbare Lieb¬ 
linge der Götter. Sie blieben es auch, bis sich zur Zeit der Völkerwanderung rasch und bunt die 
Völker Europas verschoben; da rückte das zahlreicher gewordene Bergvolk gegen den breiteren 
Westen hinaus. 
Völker kamen und gingen. Aus Böhmen, wo der große Fürst Samo ein schönes Reich 
gegründet hatte, drangen die Slaven an den Ausläufern des Böhmerwaldes bis an die Donau vor. 
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