Volltext: Ober-Oesterreich

Am Traunsee 
Von Prof. Dr. Franz Branky 
Die gewaltige, formende Kraft der eiszeitlichen Gletscher hat ganze Wannen oder Tröge 
herausgemeißelt. Mit dem Rückzug des Eises war das glaziale Strombett wieder frei und in dem 
Gewirr von Stufen und abgelagerten Moränen mußte sich das Gerinne erst Bahn brechen. Die 
breiten und vertieften Tröge und Wannen, durch Querstufen von einander getrennt, füllten sich bis an 
den Abflußhorizont mit Wasser — so wurden sie zu lieblichen Seebecken unseres herrlichen Salz¬ 
kammergutes. In einem solchen gewaltigen Taltrog liegt der 12 Kilometer lange, 2406 Hektar große, 
durchschnittlich 3 Kilometer breite Traunsee. Er füllt die „Traunspalte" aus, d. h. einen von 
Norden nach Süden verlaufenden Querbruch der Alpen. Schon die alten Römer scheinen die Lieblich¬ 
keit dieses Sees erkannt zu haben, denn sie nannten ihn lacus felix, zu deutsch — heilbringender 
See. Wenn wir in Gmunden einen jener aus Moränenschutt gebildeten Hügel besteigen, so genießen 
wir ein Bild, das schon unzählige Künstler mit Entzücken schauten und in Worten oder Farbe fest¬ 
hielten. Wir haben den Eindruck, daß uns Mutter Natur eine ihrer schönsten Festdekorationen zeigt*). 
Himmelhochragende Bergriesen, ehrwürdige starre und stumme Zeugen einer interessanten geologischen 
Vergangenheit schließen das Seebecken im Süden ein: Steilwände, Kalkbrüche, enge Schluchten, kühne 
Grate und merkwürdig geschwungene Firstlinien, die Eigentümlichkeiten dieses Kalkgebirges, machen 
uns erschaudern und geben dem Landschaftsbild ein tiefernstes Gepräge; sanfte Hänge, breitere Tal¬ 
böden, ruhig verlaufende Kammlinien, üppige Vegetation, dort, wo der See in die Flyschlandschaft 
hinausreicht, lassen ihn anmutig freundlich und lieblich erscheinen. So bietet uns der Traunsee zwei 
ganz verschiedene Landschaften: Die wuchtigen Gebirgsszenerien im südlichen Teil und das heitere 
Hügelland an seinem nördlichen Ufer, wo sich, auf Moränenhügeln sanft ansteigend, Gmunden amphi- 
theatralisch erhebt. Das Auge, das sich an der wundervollen Gebirgslandschaft des südlichen Teiles 
labt, ist nicht minder entzückt, wenn es etwa von Traunkirchen die Seestadt Gmunden erblickt. 
Traunsee! Eine Welt von Schönheit umfaßt dein Name! Was unser herrliches Vaterland an 
Naturpracht aufweist, das hat es hier in verschwenderischer Fülle zu einem einzigen entzückenden 
Paradies vereinigt! So unvergleichlich die Schönheit deiner Natur ist, so ehrwürdig ist deine 
Geschichte. Zu der Zeit, da die Gründung des weltbeherrschenden Rom im Dämmer der Sage sich 
verliert, da ruhten deine bronzezeitlichen Siedler schon ein Jahrtausend unter ihren stillen Hügeln. 
Als jene Leute hier schalteten und walteten, da war das homerische Troja noch nicht zerstört, die 
Heldenlieder von Hektor und Achill noch nicht gesungen. Denn ein dankbarer Sohn und Bewohner 
*) F. Berger, Oberösterreich, ein Heimatbuch, S. 165, Wien 1925. 
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