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dieselben entweder ganz oder zum Großteil im sogenannten Kerenskygeld, das von vielen Leuten 
überhaupt nicht als vollwertiges russisches Geld angenommen wurde und die Kriegsgefangenen 
somit zu Schaden kamen. 
Auch bei der Einwechslung im Heimatlande konnte man das russische Geld nur mit 
großen Verlusten anbringen. Das russische Papiergeld hatte zum Schlüsse fast gar keinen Wert 
mehr und daher begann alles gleich bei Beginn der Revolution Silbergeld zu sammeln. In 
der Mandschurei nahni man überhaupt nur russisches Silbergeld an und für einen Silberrubel 
konnte man 20 und mehr Papierrubel erhalten. Von der Gage mußten oft ganz ungerecht¬ 
fertigte Abzüge, wie z. B. für Wasserzufuhr usw., geleistet werden. Am meisten empört war man 
darüber, daß Geldsendungen aus der Heimat, die in unserem Gelde bei der Post und den 
Banken geleistet wurden, im minderwertigen russischen Gelde (Kerenskynoten) zur Auszahlung 
gelangten. Die Einjährig-Freiwilligen bekamen lange Zeit überhaupt keine Gelder und mußten 
erst im diplomatischen Wege Vereinbarungen getroffen werden, um diesem Übelstaude abzuhelfen. 
Von der Gage wurde der ganze Lebensunterhalt bestritten. 
Strafbestimmungen. 
Obwohl die körperliche Züchtigung für Kriegsgefangene verboten war, kam es wiederholt 
vor, daß nicht nur Mannschaftspersonen, sondern auch Ofsiziere Kolbenstöße, Peitschenhiebe und 
Puffe aller Art erhielten. In ganz besonders reichem Maße wurde die Strafe des Einsperrens 
angewendet. Die Vergehen oder Übertretungen waren oft ganz unbedeutend, aber alles unterlag 
der kriegsgerichtlichen Verhandlung. Die Häftlinge waren oft monatelang im Kerker, ohne zu 
wissen warum. Es ist eine Eigentümlichkeit des russischen Gerichtsverfahrens, die Leute ohne 
Einvernahme „bis auf weiteres" oder russisch ,,do rasporjajenia" eingekerkert zu halten. 
Auch gab es nur ambulante Gerichtskommissionen und so kam es, daß oft die Arrestanten 
monatelang und auch Jahre im Kerker schmachteten, bis sie überhaupt einvernommen wurden. 
Auch den Unteroffizieren und Offizieren erging es in dieser Beziehung nicht besser. Es war 
speziell ganz charakteristisch, daß man nicht nur jene Offiziere einsperrte, die angeblich etwas 
verbrochen hatten, sondern auch diejenigen Kameraden, die man als Zeugen irgend eines Vor¬ 
falles anführte. Damit wollten und erreichten die Russen auch teilweise, daß man ihrer Willkür 
allein ausgesetzt war und die Strafe keine Milderung erfuhr. Oft genügte irgend eine gering¬ 
fügige Sache, die, ins Ungeheuerliche aufgebauscht, benützt wurde, um eine Spionageaffäre 
oder sonst irgend ein schweres Verbrechen zu konstruieren, auf welchem die Todesstrafe stand. 
Die Internierung der Offiziere in Strnfpavillone war eine Spezialität des Lagers Krasnaja- 
Rjetschka. Alle jene Offiziere, welche nach Ansicht der Russen Schwerverbrecher waren, wurden 
unter ein besonders „strenges Regime" gestellt. Hiezu gehörten in erster Linie jene Offiziere, 
welche Fluchtversuche unternahmen, dann jene, deren politische Haltung den Russen unbequem 
war. So wurden aus ganz Rußland Offiziere unter schwerer Eskorte dorthin gebracht und 
mußten dieselben jahrelang ihr Dasein unter den traurigsten Umständen fristen. In den Straf- 
pavillonen waren die Offiziere meist in Einzelhaft, bei vergitterten Fenstern versperrt gehalten 
und durften nur zu bestimmten Stunden des Tages an die Luft gehen; untereinander war der 
Verkehr verboten, auch bekamen sie kein Bargeld auf die Hand und wurden überhaupt in jeder 
Weise drangsaliert. Kein Wunder, daß unter solchen Umständen immer wieder neue Flucht¬ 
versuche unternommen wurden, um diesem unerträglichen Leben zu entgehen. Nachts wurde an 
unterirdischen Gängen monatelang gegraben, die, um ins Freie zu führen, eine Länge von 
ungefähr 30 m haben mußten. Nächte, die besonders finster und stürmisch waren, wurden dann 
für die Ausführung der Flucht gewählt. Leider find diese Fluchtversuche fast alle mißlungen, 
denn entweder fiele» die Ausreißer in Kosakenhände, wurden von Chungusen (chinesischen 
Räubern) abgefangen oder sie wurden verprügelt und ihrer letzten Habe beraubt, wieder einge¬ 
bracht. Ein Großteil endlich ist erfroren oder sonstwie elend zu gründe gegangen. Nach jedem 
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