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großes Militärlager dort und hat als Nachbardorf Nowo-Alexandrowsk, eine kleine chinesische 
Fischeransiedlung. Auf einer abgesteckten Waldfläche wurden alle Kasernen und Werkstätten 
errichtet; als wir hinkamen, waren sie noch ganz unfertig. Krasnaja-Rjetschka ist von unserer 
Heimat zirka 12.000km entfernt. Dies entspricht 22mal der Strecke Wien—Innsbruck. Die 
Zeitdifferenz betrug 8 Stunden oder in die bürgerliche Tageseinteilung übersetzt: wenn wir 
uns im fernen Osten zur Ruhe begaben, setzten sich unsere Lieben in der Heimat erst zum 
Mittagstische. 
Dienstbetrieb. 
In jedem Lager unterstanden die Kriegsgefangenen dem Woinsky-Natschalnik, das heißt 
oberster Militärkommandant, welcher gewöhnlich die Obersten- oder Generalscharge bekleidete, 
dann dem eigentlichen Lagerkommandanten einen Stabsoffizier, Hauptmann, Subalternoffizier, 
Praportschik oder llnteroffizier. Wie dieselben ihren Dienst in Bezug auf die ihnen unterstellten 
Kriegsgefangenen auffaßten, ist durch den Ausspruch des Garnisonskommandanten in Krasnaja- 
Rjetschka am besten gekennzeichnet. Er sagte einmal: „Ich habe nur dafür zu sorgen, daß die 
Kriegsgefangenen nicht verhungern und nicht entfliehen. Alles andere geht mich nichts an!" 
Diesen Standpunkt scheinen so ziemlich alle Lagerkommandanten geteilt zu haben, denn sonst 
könnte man sich die ganz unfaßbare Interesselosigkeit, in allem was die Fürsorge betrifft 
nicht erklären. 
Rur wenn es auf Verschärfungen, Bestrafungen, Repressalien usw. ankam, da waren 
die Russen von einer unglaublichen Rührigkeit und Raschheit. Das Abführen auf die Haupt¬ 
wache oder in den Arrest geschah mit einer verblüffenden Geschwindigkeit, das Freigeben eines 
Kriegsgefangenen aus dem Arreste erfolgte fast niemals nach Abbüßung der Strafe, sondern 
immer um einige Tage oder Wochen später. Da wurde merkwürdigerweise stets auf den 
Arrestanten vergessen und nur über mehrmaliges Bitten und Reklamieren der Kameraden konnte 
derselbe das Arrestlokal verlassen. 
Für Begleitzwecke, zum Einkauf, Besuche beim Zahnarzt oder in einen anderen Lager¬ 
bezirk, hörte man ständig die Ausrede, daß es nicht ginge weil zu wenig Begleitmannschaft 
(Konvoi) zur Stelle sei. Die Hauptdiensttätigkeit der Russen war die Kontrolle, das ist die 
Standesüberprüfnng, die gewöhnlich nur von einem Unteroffizier oder Soldaten ohne Chargen¬ 
grad durchgeführt wurde. Oft überprüfte man drei- oder viermal am Tage oder in der Nacht 
den Stand. Da die russischen Soldaten keine Rechenkünstler waren und sich immer verzählten, 
dauerte eine solche Standesüberprüfung oft eine Stunde. 
Der rangälteste Offizier der österreichisch-ungarischen Wehrmacht führte in jedem Lager 
das Kommando und hatte einen Stab von Offizieren als notwendige Gehilfen und Referenten 
zur Verfügung. 
Es war fast kein Offizier (Fähnrich), 
der nicht im Interesse der Kameraden irgend 
eine Funktion ausübte. 
Die Wohnungsverhältnisse. 
Die Bequartierung der Kriegsgefan¬ 
genen war so verschiedenartig, daß eine allge¬ 
meine Beschreibung unmöglich ist; sie weist 
alle Abstufungen von soliden, festen Gebäuden 
bis zu Schweineställen auf. Die schlechteste 
Kategorie waren die zum Teil in den Erd¬ 
boden eingebauten Holzbaracken, da dieselben 
mangels einer Ventilation die eigentlichen 
Infektionsherde für die Epidemien bildeten. 
Artilleriewerkstätte. Offiziersunterkunft in ñrasnaja-Rjetfchka. 
Lagerhof im Urzustände. 
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