Volltext: I R 14

fahrt. Die chinesischen Bahnhöfe, mit ihren geschäftige» Leben und Treiben und Menschenrassen¬ 
gemisch, verscheuchten auf einige Zeit unsere trüben Gedanken. So erreichten wir endlich nach 
29tägiger, ununterbrochener Eisenbahnfahrt erschöpft und zermürbt, Nikolsk-Ussurisk, ein großes 
Militärlager mit ausgedehnten Kasernbauten, Magazinen, Werkstätten usw., das seinerzeit wegen 
Japan angelegt wurde; überhaupt das ganze Land Priamurs-Kaja hatte schon seit dem russisch¬ 
japanischen Kriege eine starke 
militärische Besatzung. Nikolsk- 
Ussurisk ist nur mehr 3 Stun¬ 
den Eisenbahnfahrt von Wladi¬ 
wostok beziehungsweise vom 
Stillen Ozean entfernt. Nach 
14tägigem Aufenthalt wurden 
wir noch weitere 600 Werst, mit 
der gegen Norden führenden 
Zweigbahn, nach Chabarowsk ge¬ 
bracht. Diese Stadt war damals 
die äußerste Eisenbahnendstation 
in Nordostasien. Heute aber ist 
Chabarowsk, da die Amurbahn 
von Kriegsgefangenen ausgebaut 
wurde, der Scheitelpunkt einer gewaltigen Bahnschleife, mit welcher man über den Nordrand der 
Mandschurei dem Amur entlang, zurück bis Karimskaja östlich Tschita, wieder die transsibirische 
Eisenbahn also die Hauptlinie erreicht. 
Chabarowsk liegt am Zusammenflüsse der beiden mächtigen und ungemein fischreichen 
Flüsse Amur und Ussuri und ist sehr malerisch gelegen. Die Stadt, welche den Namen nach 
ihrem Gründer dem Kaufmann Chabarow trägt, hat zirka 50.000 Einwohner zumeist Chinesen, 
dann Russen, Koreaner, Japaner, Kamtschadalen, Tungusen, Ainos usw. und ist im mächtigen 
Emporblühen. Man ist ganz überrascht, im fernen Osten eine so europäisch anmutende Stadt 
mit hübschen Wohngebäuden, Hotels, Banken, höheren Lehranstalten, Lyzeum, Museum, schönen 
Parkanlagen und elektrischer Beleuchtung zu finden. Die großen, russischen Warenhäuser 
Tschurin — Knnst & Albers haben wie in allen sibirischen Städten auch hier ihre Filialen, in 
denen man alles bekommt. Tschurin hat an den Kriegsgefangenen besonders ergiebige Aus- 
beutungsobjelte gefunden und es 
verstanden, den Alleinverkauf 
durch Bestechungen der ma߬ 
gebenden Personen an sich zu 
reißen. Auch die weltbekannte 
Firma „Singer-Nähmaschinen- 
sabrik" hat hier eine Nieder¬ 
lassung und ich war nicht wenig 
erstaunt, als mir der Vertreter 
derselben erzählte, daß sie sogar 
in Kamtschatka, wohin keine Land¬ 
verbindung besteht, ihre Filialen 
besitzt. Der Transport dorthin 
erfolgt nur im Winter auf Hunde¬ 
schlitten, bei Ausnützung der ge¬ 
frorenen Flußläufe. Eine Vizinalbahn, vom russischen Eisenbahnregimente erbaut, brachte uns nach 
zirka einstündiger Fahrt nach Krasnaja-Rjetschka, zu deutsch das „rote Flüßchen". Es ist nur ein 
Kundeschlitten für Transporte am Amur. 
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