Volltext: I R 14

Eine Armee von Soldaten ist durch ihre Hände gegangen. Tausende von Wünschen 
galt es anzuhören, zu befriedigen und unter Umständen abzuweisen. 
Die Zusammenstellung der Marschformationen und die hieraus resultierenden Eingriffe 
in die Existenz, Dableiben oder Ausmarschieren, Leben oder Tod, waren wohl ausschließlich 
Sache der Kommanden und ihrer selbständigen Entscheidung überlassen, doch die Unsumme der 
hiezu notwendigen Detailarbeit lastete auf den Schultern ihrer Referenten. 
Die Front verbrauchte unersättlich Männer — die Frage: „Konnte man es da allen 
recht machen?" beantwortet sich wohl von selbst. 
8. In der Lrfsngrnschsft. 
Obstlt. Tenner und Major v. Kirchner gerieten, beide verwundet, schon nach den 
ersten Kämpfen des Jahres 1914 in russische Gefangenschaft. Sie trafen sich in Kiew im Spitale, 
wurden gemeinsam durch ganz Sibirien bis Krasnaja-Rjetschka transportiert, verlebten dort im 
selben Lager und Quartier mehr als drei Jahre und wurden endlich, ersterer als Ganzinvalide, 
letzterer als Halbinvalide, zu verschiedenen Zeiten in die Heimat befördert, die sie anfangs 1918 
erreichten. Ihre Schilderungen folgen. 
Obstlt. Richard Tenner schreibt: 
Im Gefechte bei Oserdüw am 28. August 1914 verwundet, kam ich nach abenteuerlicher 
Fahrt vom Hilfsplatz der genannten Ortschaft in das Reservespital nach Zolkiew, wo ich, 
trotz mehrmaliger Forderung beim dortigen Spitalsleiter mich ins Hinterland abzuschieben, bis 
zum 1. September verharrte, an welchem Tage die russischen Truppen des Generals Brussilow 
Zolkiew besetzten und das ganze Spital gefangennahmen. Am 7. September wurden wir nach 
Lemberg befördert, wo ich bis zum 14. September blieb, um dann, im Wege der Spitäler 
von Kiew und Moskau nach dem äußersten Osten, nach Krasnaja-Rjetschka bei Chabarowsk 
deportiert zu werden. 
Im März des Jahres 1917 wurde ich vor eine Jnvalidenkommission gestellt, die meine 
vollkommene Invalidität konstatierte und mich zum Austausche und Abschub in die Heimat 
beantragte, wonach es mir nach monatelangem Drängen und Intervenieren endlich gelang, im 
Jänner 1918 heimatlichen Boden zu erreichen. 
Was diese 3% Jahre Gefangenschaft für uns alle bedeuteten, möge hier annähernd 
geschildert werden. Es war eine Zeit des Martyriums, voll von Erniedrigungen, Ehrabschneidung 
und brutalster Behandlung, die offenkundig gegen alle Deutschen in Szene gesetzt wurden und 
den Endzweck verfolgten, jeden moralisch und Physisch derart herabzubringen, daß er für sein 
weiteres Leben unschädlich gemacht werde, womöglich aber noch in Rußland zu gründe gehe. 
Diesem Gedanken gaben schon die Äußerungen von russischen Offizieren im Spital von 
Moskau Ausdruck, wo uns ein Offizier unverhohlen erklärte, alle Deutschen kämen nach Sibirien, 
um dort schlecht behandelt zu werden. 
Von der sagenhaften russischen Gutmütigkeit war denn auch nirgends wo wir verweilten 
etwas zu fühlen, wohl aber von Roheiten, die ihresgleichen kaum finden werden und ein be¬ 
redtes Licht auf die Gemütsart und Kultur dieses Volkes werfen. 
Als Verwundete wurden wir beim Transporte von Lemberg nach Kiew (2 Stabs¬ 
offiziere und 3 Hauptleute) trotz Protestes meinerseits mit unseren Dienern, in einem Viehwagen 
ohne Streu befördert. Unsere russische Begleitmannschaft nahm eine Leibes- und Koffervisite vor 
und konfiszierte uns alle Messer sowie sonst Zweckdienliches. Verpflegung erhielten wir gar keine 
und bei unserer Ankunft in Kiew wollte uns ein Kosakentransport, der an die Front ging, ver¬ 
prügeln. Nur dem Einschreiten eines russischen Offiziers war es zu danken, daß es bei der 
Drohung und dem Schimpfe verblieb. Im Spital in Kiew durften uns von den Besuchern des 
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