Volltext: I R 14

Es war das 10. Marschbaon, welches gerade für Rußland formiert und normal aus¬ 
gerüstet, sein baldiges Abgehen in den Verband des Regiments erwartete. Eine ruhige aber 
finstere Nacht lag über Linz. 
Der Adjutant des Ersatzbaons, Oblt. Spitzl, wurde um zirka 11 Uhr abends telephonisch 
zum Gruppenkommando, Walterstraße (Kommandant GM. Lanzinger), gerufen, wo er um zirka 
halb 12 Uhr nachts eintraf. Er ahnte, daß ihm heute eine lange Nachtruhe kaum beschieden 
sein dürfte. Beim Gruppenkommando wurde befohlen: „Das 10. Marschbaon, für Tirol be¬ 
stimmt, ist als selbständiges Baon mit komplettem Stab, Gebirgsausrüstung und Gebirgs- 
train umzuformieren und hat morgen den 6. Mai, um 6 Uhr früh, auf dem Umschlagplatze 
einwaggoniert zu sein!" — 
Kurz salutierend verließ er schleunigst, allerdings mit banger Sorge, das Gruppen¬ 
kommando. — Auf einen solchen Befehl war er nicht gefaßt! Morgen, eigentlich heute, um 
6 Uhr früh soll alles bereits einwaggoniert sein? — Alles schläft ruhig, auf der Straße 
Menschenleere. Da trifft er plötzlich mit seinem Kommandanten Obstlt. Wiligut zusammen, 
welcher ihm mitteilt, daß er zum Kommandanten des abgehenden Marschbaons bestimmt wurde. 
Er sagte noch, daß er verkühlt sei und rasch nach Hause müsse, um morgen rechtzeitig am Bahn¬ 
hof zu sein. Noch einige kurze Direktiven und Kommandant und Adjutant gingen auseinander, 
ohne mehr Gelegenheit gehabt zu haben zusammenzukommen. 
Der Adjutant geht raschen Schrittes den kürzesten Weg in seine Kanzlei in der Fabriks¬ 
kaserne. Überall herrscht Grabesruhe, nur das dumpfklingende Auf- und Abgehen des Schnarr¬ 
postens unterbricht die unheimliche Stille. 
Alle Kasernen beziehungsweise Ubikationen, alle Kaffeehäuser und Hotels, wo sich even¬ 
tuell Offiziere des Regiments befinden konnten, werden ausgeläutet und das Ersatzbaon alarmiert, 
llm zirka 1 Uhr 15 Minuten nachts treffen die Ersatzkompagnie- beziehungsweise Marschkom¬ 
pagniekommandanten in d'er Baonsadjutantur ein, desgleichen der Rechnungsführer, der Aug- 
mentationsmagazinsoffizier. Jeder wird kurz orientiert, es ist keine Zeit zu verlieren, jetzt heißt 
es handeln! In erster Linie Fassung der Bekleidung und Ausrüstung, Zusammenstellung des 
Gebirgstrains, der Verpflegung und Neueinteilung der Offiziere. Arzt, Adjutant, Proviant¬ 
offizier, alles muß hergezaubert werden — Telephon läutet ununterbrochen! Nachdem jeder 
seine Arbeit zugewiesen erhalten, wird es ruhiger in der Baonskanzlei. Oblt. Spitzl stellt mit 
dem damaligen Mobilisierungsreferenten für den Kriegsfall „J”, Hptm. Fiby, die Stände des 
neuen Marschbaons zusammen. Diese vielen Tragtiere und Pferde, Fuhrwerke, es erschien als 
blanke Unmöglichkeit, wenn man daran dachte, daß all dies um 6 Uhr einwaggoniert sein 
sollte! Wo sind die Tragtierführer, Fahrsoldaten? Wo der Mann, der das Sanitäts- und das 
Sprengmitteltragtier ausrüstet? Wo sind die vorgeschriebenen Spezialisten? Ja, bange Stunden 
vergehen! Am finsteren Kasernenhofe der Fabrikskaserne geht es drunter und drüber — davon kann 
sich nur jemand einen Begriff machen, der das gesehen hat, es läßt sich nicht schildern. Man sieht 
nicht viel, es ist stockfinster, man hört nur Lärm, schreien, Wagenfahren, Pferdegetrampel! 
Es dämmert der Morgen, allmählich beginnt man im Hofe Silhouetten wahrzunehmen. 
Die Zeit fliegt. Wird das Baon wohl rechtzeitig und vollzählig zur Einwaggonierung gestellt 
sein? Ausgeschlossen! denkt der Adjutant, doch siehe da — ein Wunder ist geschehen! Es ertönt 
das Signal „zum Gebet", das Baon verläßt rechtzeitig und voll Begeisterung die Kaserne und 
kann ordnungsgemäß einwaggoniert werden. „Gott sei Dank", seufzt der Adjutant und schläft 
an seinem Schreibtische sitzend ein — er konnte nicht mehr — es war zuviel des Guten! 
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Bei der Stabsabteilung wurden die kommandierten Mannschaften sowie alle weiblichen 
Hilfskräfte des Ersatzbaons geführt und zwar alle, gleichviel ob innerhalb oder außerhalb des 
Ersatzbaons kommandiert, außerdem waren der Stabsabteilung auch die Einjährig-Freiwilligen- 
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