Volltext: I R 14

wär's zum Beispiel keine Sage, wenn man erzählt, dort und dort lüden mehrere Kompagnien 
seit Monatsfrist Tag und Nacht nur immer „Dreißiger"-Geschosse in Stapel? Wär's etwa 
keine Sage? Dann: Wohl uns! 
Aber wenn du ganz fein hinaushorchst, vernimmst du noch allerhand: Du hörst da 
hin und wieder den Laufdraht sirren, dran der Haushund an der Kette liegt. Und hörst, noch 
vereinzelter, ein verhaltenes „Sultan! Sultan!" und möchtest schwören, es sei die Stimme der 
kleinen Magd, der „bella nera", die kein Wort Deutsch spricht. Und legst dir erstaunlich schnell 
das Seltsame zurecht, indem du dich entsinnst, daß ja auch ebenerdig Einquartierung ist. Im 
Heuboden nämlich. Einquartierung zwar, die nur Deutsch spricht. Aber das hindert nichts. 
Mondmärchen . . . Aber du störst nicht weiter. Nicht? 
Und du hörst mit einmal gemessenen Schritt. Die Nachtpatrouille. Von fern erst, dann 
näher und näher, hallend und hallender, feierlich und pomphaft, wie alle Weinpatrouillen. Ob 
sie nun in der Linzer Fabriksstraße oder im Tiroler Dörfl wandeln, immer hört man sehr ge¬ 
messene Schritte, von fern erst, dann näher und näher, hallend und hallender, schließlich feierlich 
und pomphaft, damit jeder, der noch verbotene Pfade pilgert — rechtzeitig die Möglichkeit hat, 
zu entschwinden, — wie das sinnige Wort heißt — zu „verduften". Und Nacht für Nacht dann 
wandert der Patrouilleführer heim, wieder selbacht, beladen mit dem erhabenen Bewußtsein 
treuer Pflichterfüllung — und etwas verhalten über die „soliden" Vierzehner. 
Und du hörst ... ja was hörst du denn noch? O, du hörst von droben, von hoch 
in den Gärten droben, einen Jodler, einen herzhaften, kräftigen Alpenjodler, gell, übermütig, 
traumscheuchend. Du kennst genau die Stimme, genau die Melodik, genau den Tonfall. So 
jodelt kein anderer. Du siehst ihn vor dir, könntest ihn zeichnen, könntest ihn greifen, den Mann. 
Das muß der Schopf sein, kann nur der Schopf sein! Aber der Schopf, ho, der Schopf sitzt in 
einem Weingarthäusel droben, sehr hoch droben ... Zu Tal aber, sehr tief drunten, stapft der 
Patrouilleführer, selbacht und gemessen, hallend und feierlich, tut einen Blick nach den Gärten 
droben, halb verschämt, halb begehrlich, wie . . . nu, etwa wie jener Fuchs nach den Trauben 
-und-und belädt seine Seele mit dem Bewußtsein treuer Pflichterfüllung. 
Und es blüht die Mondnacht über Schopf und Zopf und die Geisterchen des Weines 
kichern leise ... 
6. Meine Assentierung. 
Don Hermann Dritter, Einjährig - Freiwilliger. 
„Also rasch, Bub. Der Kaffee wird kalt" mahnte meine Mutter. „Es ist schon höchste 
Zeit. Das Wetter ist auch schlecht und in einer guten Stunde müßt ihr in Grein sein." Es 
war halb vier Uhr früh. — „Daß denn die andern noch nicht da sind, die von Pabneukirchen?" 
Bei uns ist es nämlich Brauch, daß sich die Rekruten, welche zur Assentierung müssen, 
von den naheliegenden Nachbarschaften sammeln, um gemeinschaftlich den Weg bis zur Bahn 
nach Grein an der Donau zu machen, denn von dort ging es erst nach Perg, wo die Assent- 
kommission ihr hohes Tribunal aufgeschlagen hatte. 
Gerade als Schauspieler an das Landestheater in Linz verpflichtet, war heute Assen¬ 
tierung, da mußte ich noch vorher auf einen kurzen Sprung in die Heimat kommen. Ich mußte, 
ob ich wollte oder nicht. Nach Hause hat's mich ja immer getrieben und meine Heimat war ja 
so schön, so ganz anders als alle Plätze der ganzen lieben, weiten Welt. Und so war mir 
damals eigentümlich zu Mute. Wär's die Assentierung? Wär's vielleicht das Abschiednehmen 
auf lange Zeit . . oder noch länger . ? 
Draußen stockfinstere Nacht, es schüttete in Strömen. Der Wind pfiff nnd heulte nach 
allen Registern einer Gespenstersonate. Meine Kameraden kamen noch nicht — kamen noch immer 
nicht.' Nichts war zu hören als der fürchterliche Wind und der klatschende Regen. 
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