Volltext: I R 14

Die 22. Schützendivision in den Gegner verbissen, ließ nicht ab von ihm und wollte 
am 10. November früh bei Longarone den Übergang über die Piave erzwingen, um sodann 
gegen Belluno vorzustoßen. Zu ihrer rechtzeitigen Unterstützung wurde die Edelweißdivision in 
einem Gewaltmärsche gegen Longarone geworfen, doch traf sie nur mehr den bei Pieve di Cadore 
vom 3. Tiroler Kaiserjägerregimente ohne Widerstand außer Gefecht gesetzten Gegner. Die 
ungewöhnliche Marschleistung brachte unzählige Stockungen und Verkehrshindernisse. Wohl ent¬ 
schädigte den Naturfreund die prachtvolle Landschaft für die Mühsale. 
Großartige, bis zu 200 Meter tiefe Schluchten überwindet mit Galerien und Tunnels 
von wunderbarer bautechnischer Vollendung die Kunststraße. Mit staunenswerter Energie 
erzwang hier der Ingenieur den, von der Natur in pittoresker Schönheit verschlossenen, Zugang 
in das Piavetal. 
Als das Regiment in Longarone auf der inzwischen hergestellten Notbrücke einzog, 
fand es nur die von den Kaiserjägern gemachten 4000 Gefangenen vor, welche gemeinsam mit 
der zurückgebliebenen armen Be¬ 
völkerung die Flucht der Besitzen¬ 
den ausgenützt, geraubt und ge¬ 
plündert hatten und nun, vom 
Weine außer Rand und Band 
geraten, einen Anblick verlottert- 
ster Manneszucht boten. 
Welch historisches Bild! 
4000 gefangene Italiener, be¬ 
trunken, daß sie kaum aufrecht 
stehen konnten, gröhlend und 
lachend, auf Patria und Reich 
schimpfend! Zwischen ihnen durch 
schoben und drängten die Kolon¬ 
nen der Sieger, deutsche Jäger 
und oberösterreichische Infanterie. 
Die engen Gassen, verstopft von italienischen Autos, Geschützen, Sanitätswagen, Karren 
und Karretten und Kriegsmaterial aller Art, spotteten jeder Beschreibung. Alle Häuser waren 
erbrochen und-ihr Inhalt verrammelte die Straßen. Kostbarer, duftender Wein verrann in den 
zahlreichen Kellern, niemand nahm sich die Mühe, ihn aufzufangen. Betten, Möbel lagen überall 
umher. Zwischen Konservenkisten, über herrenlose Kaffee- und Mehlsäcke stolperten halbverhun¬ 
gerte Tragtiere. Hügel militärischer Akten, Feuerwaffen aller Gattungen bildeten mit wertvollem 
Riemenzeug unentwirrbare Knäuel. Die verstreut umherliegende Munition war unzählbar. Am 
schlimmsten jedoch sah es an der südlichen Ortsgrenze aus, an der Straße nach Belluno. Hier 
wurden die Italiener entwaffnet, hier hatten sie ihre militärische Habe weggeworfen und zu 
Bergen getürmt lagen Gewehre und Rüstzeug. Nur da und dort fand man Tote, die Hände 
an den Patronentaschen, hin und wieder ein Maultier, dem eine Kugel den Rest gegeben. 
Der 11. November war für das Regiment ein Tag der Ruhe, nur das halbe 4. Baon 
hatte das Piavetal nach Süden und das Dessedantal nach Westen zu sichern. Die anderem 
Kompagnien lagen zerstreut in den Häusern, schliefen größtenteils in Federbetten, praßten mit 
den hier reichlich vorgefundenen Nahrungsmitteln und löschten mit vorzüglichen Weinen den 
altererbten Germanendurst. 
Die 22. Schützendivision hatte inzwischen den Gegner über Belluno hinausgedrängt 
und die Edelweißdivision folgte, um im Falle der Not bei der Hand zu sein. 
Am 12. November, 12 Uhr mittags, wurde im gewaltsamen Tempo Belluno erreicht, 
das die Bevölkerung vollkommen unbegründet in eigenartiger Verblendung verlassen, der Plün¬ 
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