Volltext: Das Bild als Waffe

SOCIALE Gustave Herves, die von nun an jeden Tag eine große, mehr¬ 
spaltige Karikatur auf der Titelseite veröffentlichte, zeigt einen erschosse¬ 
nen Priester 16. Die amtlichen Rapports der französischen, belgischen und 
englischen Regierungen führten dieser bildlichen Greuelpropaganda neue 
Nahrung zu. Sie konnte nunmehr als einfache Illustration behördlich fest¬ 
gestellter Tatsachen auftreten und besorgte das auch in ausgiebigem 
Maße. 
Die Jahre 1915 und 1916 brachten — rein mengenmäßig gesehen — 
eine wachsende Verdichtung der Bildpropaganda; die Zeit 
während der Kämpfe um Verdun war ein Höhepunkt. Im September 
1915 wandelte Gustave Tery seine wöchentlich erscheinende CEUVRE 
in eine Tageszeitung um. Er verwirklichte die in anderen Blättern bisher 
nur gelegentlich geübte aktuelle Bindung des satirischen Bildes: 
den „bildlichen Leitartikel“ 17. Hatte die Zeichnung früher vielfach nur 
zerstreuenden oder unterhaltenden Wert gleich einer Erzählung im 
Feuilleton, wobei sich die Beischrift nur selten auf das Tagesgeschehen 
bezog, so gab sie nun jeden Morgen den lebendigsten Ausdruck der Mei¬ 
nung des Blattes zur jeweiligen Frage des Tages. 
Mit dem Beginn des Jahres 1917 ist ein Abschwellen der Bild¬ 
propaganda festzustellen, die — obwohl immer noch recht bedeutend — 
auch im Jahre 1918 ihren alten Stand nicht mehr erreichte. Die Gründe 
hierfür sind in der wachsenden Verteuerung des Papiers und der Arbeits¬ 
kraft, der nicht mehr wie zu Beginn des Krieges ein Nachrichtenmangel 
gegenüberstand, sowie in der moralischen Wirkung der «Gothas» und der 
Beschießung von Paris durch das deutsche Ferngeschütz zu suchen 18. 
Mit der Unterzeichnung des Waffenstillstandes 
stellten viele Blätter die Veröffentlichung ihrer Karikaturen ein. Das Ziel 
der Ententepropaganda war erreicht: der deutsche Gegner lag am Boden. 
Einzelne Künstler, unter ihnen Forain, suchten auch noch während der 
Zeit der Verhandlungen um den Versailler Vertrag meinungsbeeinflussend 
zu wirken. Erinnerungen an die Greuel und die Zerstörungen französischer 
Kunstdenkmäler wurden aufgefrischt, um möglichst harte Vertragsbestim¬ 
mungen zu erreichen und zu rechtfertigen. Die Witzblätter stellten 
ihre scharfen satirischen Angriffe ein und wandten sich wieder der humo¬ 
ristischen Unterhaltung zu. 
Die Gesamtzahl der von der französischen Bildpropaganda 
während des Weltkriegs verwendeten Werbe-, Spott- und Hetzbilder auch 
nur annähernd festzulegen, dürfte unmöglich sein. Noch nie wurde wäh¬ 
rend eines so kurzen Zeitabschnitts eine derartige Fülle propagandistischer 
Bildwerke erreicht. Clement-Janin gibt die Zahl der Zeitungs- und Ori¬ 
ginaldrucke, Gravüren, Plakate, Programme, Diplome, Alben und Volks¬ 
kunstwerke mit über 8000 an 19, eine Ziffer, die gering erscheint gegen¬ 
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