Volltext: Das Bild als Waffe

«M arraine» und Krankenpflegerin stellten die Verbin¬ 
dung zwischen dem Heer und der Frauenwelt der Heimat her; sie er¬ 
freuten sich der besonderen Gunst der Tageskünstler. Über den flachen 
Bildscherz gingen die Darstellungen der Verwicklungen, die sich aus den 
Patenschaften junger Soldaten und bejahrter «Marraines» ergaben, aller¬ 
dings nicht hinaus, und auch das Bild der den deutschen Verwundeten 
pflegenden Krankenschwester, wie es Marcel Bloch in seinen «Represailles 
franfaises» 309 zeichnete, ist in seiner Art etwas Seltenes. Abstoßende 
Verniedlichungen gab es dagegen in Massen. 
Um die Kriegsbegeisterung der Jugend darzutun, verfielen die 
Zeichner manchmal auf seltsame Ideen. Nicht anders kann man das Blatt 
Hermann-Pauls aus der Sammlung «La Grande Guerre par les Artistes» 
beurteilen, das ein paar jungen Burschen des Jahrgangs 1917 beim Anblick 
eines Soldaten, der den Arm in der Schlinge trägt, die Worte «Oh! que 
je voudrais etre blesse! ...» in den Mund legt. Poulbot, den wir als 
treuen Chronisten der Montmartrejugend kennenlernten, widmete seine 
Kunst in zahlreichen Bildern dem manchmal komischen, oft aber auch für 
die „Großen“ beschämenden Patriotismus der Pariser Straßenjungen. 
Köstliche Szenen sind dabei; wir begnügen uns auch hier mit einem Bei¬ 
spiel für viele: Nach einer von Zeppelinen beunruhigten Nacht sieht 
man ein schmollendes Kind in einer Straßenecke. Im Hintergrund unter¬ 
hält sich die Mutter mit einer Nachbarin: „Hat es Furcht gehabt?“ „Nein, 
das Kamel schmollt, weil ich es nicht geweckt habe!“ 310 
Die unmittelbare Berührung der Großstadtbevölkerung mit den Ge¬ 
fahren des Krieges durch Bombenabwurf und Fernbeschießung erforderte 
moralische Gegenaktionen, an denen die Volksaufklärung und mit ihr die 
Bildpropaganda führend beteiligt waren. Wie man Panik, Furcht und 
Feigheit mit den Mitteln der Wort- und Bildsatire zu bekämpfen suchte 
— was im Abschnitt über die innerpolitisch-agressive Bildpropaganda zu 
zeigen sein wird —, so hielt man der Bevölkerung ein besonderes mutiges 
Verhalten, Kaltblütigkeit und selbst Humor in der Gefahr um so mehr 
zur Nacheiferung vor, als es sich um schwache Frauen und unmündige 
Kinder handelte. 
So war die Ideengruppe „Frau und Kind“ die natürliche Ergänzung 
zur Gruppe „Soldat“. Beide zusammen bildeten den Kern- und Aus¬ 
gangspunkt anderer Kreise, als deren letzten wir den Appell an die völ¬ 
kische Opferbereitschaft zur Munitionsbeschaffung durch die Kriegsan¬ 
leihe herausgreifen. 
e) Kriegsanleihe. 
Dieser Appell bediente sich, weil gefühlsbetont, in stärkstem Maß 
des Bildes als Hilfsmittel. Schon bei der Besprechung des Plakats als 
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