Volltext: Das Bild als Waffe

man gezwungen hatte zuzusehen, schnitten die Henker dem ehr¬ 
würdigen Greise Nase und Ohren ab. Sie peinigten ihn über 25 
Minuten lang. — Neben ihm mußte ein holländischer Priester die¬ 
selbe Behandlung erdulden. Beide wurden dann erschossen. 
(Amtlicher belgischer Bericht.) 
34. Ein Oberstleutnant des Expeditionskorps in Frankreich 
schreibt am 29. April 1915: „Die Deutschen haben einen kanadi¬ 
schen Soldaten gekreuzigt, den sie gefangen hatten.cc 
(Amtlicher englischer Bericht.) 
Der furchtbare Eindruck, den schon „Wort-Berichte“ dieser Art auf 
eine in der Kriegspsychose befindliche Bevölkerung machen mußten, er¬ 
fuhr eine tausendfache Steigerung durch den Stift des Zeich¬ 
ners. Baschwitz spricht in diesem Zusammenhang von „Lustmörderphan¬ 
tasie“ mit allen an Gemütskrankheit erinnernden Merkmalen 270. In der 
Tat sind diese Erzeugnisse einer blutigen Phantasie, in denen zynischer 
Sadismus mit wollüstiger Geilheit wetteifern, nur als wüste, agitatorische 
Appelle an die niedrigsten menschlichen Instinkte und damit als betrüb¬ 
liche Selbstzeugnisse zu werten. Sie überschreiten in jeder Hinsicht die 
Grenzen, die der politischen Polemik gezogen sind, von denen des Ge¬ 
schmacks und der Sitte nicht zu reden. 
In der Bildwiedergabe der Greuel, von denen die oben angeführten 
Berichte sprachen, lassen sich zwei Richtungen unterscheiden: eine 
rein illustrierende und eine satirisch glossierende, die scharf voneinander 
zu trennen allerdings häufig nicht möglich ist. 
Mit Bildern der ersten Art ist das „Rotbuc h“ ausgestattet. 
J.-G. Domergue zeichnete sie; als Beischrift dienen die entsprechenden 
Abschnitte aus dem amtlichen Rapport. Bild und Wort sind — in der 
Form — sachlich. Sie sind aus dem Haß geboren und suchen Haß zu 
wecken. 
Bei den satirisch glossierenden Zeichnungen wird dagegen auch dem 
Spott ein Platz eingeräumt. „Deutscher Mut“ und „Ihr erster Sieg“ 
sind sehr häufig die Überschriften zu Bildern, auf denen ein Frauen- oder 
Kindermassaker dargestellt ist. 
Eng verwandt mit der eigentlichen Greuelpropaganda war die Hetze 
gegen U-Boot und Luftschiff als Kampfwaffen; sie stand indessen 
gegenüber der entsprechenden englischen Propaganda an Intensität zu¬ 
rück. Zahlreiche Bilder beschäftigten sich — wohl im Hinblick auf die 
öffentliche Meinung in den Vereinigten Staaten — mit dem Lusitania- 
Fall. Die U-Boote wurden mit Haien verglichen, denen schuldlose Frauen 
und Kinder zum Opfer fallen. Als Wilhelm II. 1918 fragt, welche ge¬ 
waltige Flotte das amerikanische Heer nach Europa geführt habe, erhält 
er zur Antwort, das sei die Lusitania gewesen 271. In der Darstellung der 
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