Volltext: Das Heimatbuch von Perg, Oberösterreich

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erklärte: „Der da, das war mein Nachbar in der Schule, der hat immer 
die Aufgaben von mir abgeschrieben, und der da, das war unser An¬ 
führer, wenn wir einmal von zu Hause „abgefahren" sind, und der da, 
das war der Stärkste in der Klasse, vor dem haben wir alle Respekt 
gehabt. . Die kleinen Buben von damals sind heute Männer mit 
grauem Haar und Bart, manchen deckt schon der grüne Rasen, die 
anderen sitzen auf den vom Bater übernommenen Bauernhöfen, sind 
kleine Geschäftsleute oder haben den heimatlichen Staub von den 
Füßen geschüttelt und sich draußen in der Fremde eine Existenz ge¬ 
sichert. Aus dem kleinen Schober-Hansl ist der Polizeipräsident einer 
Millionenstadt und dann ein Bundeskanzler geworden, ein Mann mit 
einem internationalen Namen, und er ist innerlich doch in vielen Dingen 
das Kind geblieben, das er als kleiner Bub war, das Kind seiner heimat¬ 
lichen Erde, mit einer Seele von Bertrauen und Güte, die nicht be¬ 
greifen konnte, daß es Menschen gibt, die auch anders sein können . . . 
Schober stammte bekanntlich aus engen Berhältnissen, aber so be¬ 
scheiden konnten die Dinge im Baterhaus nie sein, daß nicht die späteren 
Jahre eine Gloriole um diese Zeit woben und im Lichte der Erinnerung 
die Kinderjahre mit ihrem goldigen Schein umgaben. Schobers Eltern 
lebten nicht im Uebersluß und es hat oft Sorgen gegeben, wie die 
hungrigen. Schnäbel alle zu befriedigen wären, aber dem kleinen Hansl 
konnte das die Laune nicht verderben. 3n das Naarntal führt heute 
eine breite, von Autos vielbefahrene Straße, aber damals, als der 
spätere Bundeskanzler noch zur Schule lief, war das enge Tal ein Stück 
Arwald, durch den die Naarn tosend und schäumend der Donau zueilte. 
Nur ein schmaler Iägersteig führte bis zum „Falkenstein", um sich dort 
zwischen den Bäumen zu verlieren. Das waren prächtige Gelegenheiten 
für die Perger Buben, um auf Abenteuer auszuziehen, und sie haben sich 
diese Gelegenheit selten entgehen lassen, sobald schulfrei war oder die 
großen Ferien begonnen hatten. „Geld hakten wir nie gehabt, hätten 
es auch nicht brauchen können in dieser Wildnis, aber jeder hat irgend¬ 
was mitgebracht und wir sind nicht verhungert bei unseren Ausflügen 
und heimlichen Extratouren, Erdbeeren, Himbeeren und ein Stück Brot 
hat's immer gegeben, mehr haben wir nicht gebraucht und es war doch 
immer herrlich . . . Und Schober lacht in seinen weißen Spitzbart hinein, 
wenn er davon erzählt, was die Buben, und er natürlich mit dabei, 
bei diesen Streifungen in den Wäldern alles erlebt und angestellt 
haben, und versenkt sich ganz in die Erinnerung an seine fröhliche 
Kinderzeit und die Schuljahre mit ihren kleinen heimlichen Freuden, 
in denen er doch immer der Erste in der Schule war und lauter „Einser" 
nach Hause brachte . . . Dieser Liebe zur angestammten Scholle ist 
Schober bis zu seiner letzten Stunde treu geblieben und aus dieser Erd¬ 
verbundenheit mit dem heimatlichen Boden erwuchs die Kraft zu seinen 
späteren Leistungen und die Arbeitsfreudigkeit seines Lebens, sie war
	        
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